freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
aber es gibt für alles eine Grenze.
»Ich kann jetzt nicht, Iannece, sag ihm, er soll ein andermal wiederkommen.«
Sein Gegenüber zog eine Grimasse: »Die Person ist seit |79| drei Stunden hier, Herr Kommissar, und meint, es sei wichtig.«
»Sprich du mit ihm, Iannece. Das heißt: nein, schick ihn zu Giampieri. Ich habe zu tun, und ich will auf keinen Fall gestört
werden.«
Er schloß die Bürotür und schaltete den Computer ein. Er klickte Tetrix an und spielte, bis ihm fast die Augen aus dem Kopf
fielen.
Um halb sieben kam ihm in den Sinn, daß er seit mindestens einer Woche nicht mehr eingekauft hatte. Er beeilte sich, damit
er noch vor Ladenschluß in seinen Supermarkt an der Ecke kam. Er nahm einen Einkaufswagen und fuhr die Gänge ab, auf der Suche
nach etwas Eßbarem. Auf den Obst- und Gemüseständen eine Symphonie der Farben, doch bestürzt stellte der Kommissar fest, daß
das Aroma fehlte. Er zog sich die Plastikhandschuhe mit ihrer Krankenhaus-Ästhetik über und betastete ein paar Tomaten: Sie
waren alle makellos rund, hatten alle dieselbe rote Filzstiftfarbe, waren durchscheinend und geruchlos. Er suchte die Fleischtomaten,
die er aus irgendeinem Grund für naturbelassen hielt, aber sie kosteten drei Euro pro Kilo, und das kam ihm übertrieben vor.
Er musterte die Salatsorten, aber auch dort wurde er enttäuscht: Der Frisée leuchtete chemisch grün, dem Chicorée sah man
auf den ersten Blick an, daß er nur nach Wasser schmeckte. Er nahm zwei Auberginen, zwei Paprika und einen Beutel Kartoffeln
und hoffte, daß sie innen nicht gefroren waren, was häufig vorkam. Er mied – es war Mai – Pfirsiche und Weintrauben, die Orangen
mit ihren drei Zentimeter dicken Schalen, die alle blitzblank glänzten, und die kernlosen Clementinen, die den Startschuß
zu allen gentechnischen Verhunzungen gegeben hatten. Er steckte vier monochrom gelbe Bananen, die nicht ein brauner Leberfleck
zierte, in einen Beutel und ging zur |80| elektronischen Waage, um sie zu wiegen und auszupreisen. Vor ihm stand eine alte Dame mit ihren durchsichtigen Plastikhandschuhen.
In die Schale hatte sie einen Beutel Orangen gelegt. Sie studierte lange die Tasten; sie hielt die Brille auf der Nase fest
und suchte nach dem richtigen Symbol. Der Kommissar hatte es sofort entdeckt – links oben: »Orangen, drei Euro« das Kilo,
der reine Wucher –, aber die Frau schaute ganz woandershin, nach rechts unten. Sie drückte entschlossen die Taste »Kartoffeln,
ein Euro« und klebte, in der Hoffnung, daß sie ungeschoren durch die Kasse käme, das Etikett auf den Beutel.
Die Alte trat zur Seite, und der Kommissar lächelte sie an. Arme Frau, dachte er, auch sie hat das Recht, sich irgendwie gegen
das Verbrechen zu wehren.
Er wog sein Obst ab, wobei er die richtigen Tasten betätigte. Noch war er nicht auf solche Tricks angewiesen, um über die
Runden zu kommen. Aus reinem Pflichtgefühl ging er auch am Fischstand vorbei. Die Farbstoffe im Lachs taten ihren Dienst:
große dioxinbelastete Filets lagen da in rosa Schockfarbe – zu lausigen neun Euro das Kilo. Die Doraden, acht Euro, sahen
aus wie aus dem Fotokopiergerät, die Brassen waren auf Einzel- oder Doppelportion gezüchtet, und Luciano fragte sich, wieviel
wohl das Quecksilber, das Fischmehl und die gefriergetrocknete Scheiße kosteten, die in den Zuchten verfüttert wurden. Wirklich
fangfrisch waren nur die Sardinen, aber die kosteten sieben Euro das Kilo, und dafür hätten die Händler auch eine Diebstahlsanzeige
verdient gehabt.
Er ging weiter, nahm vier Packungen Pasta, eine Packung Reis und zwei Flaschen Nudelsoße. Er ließ die Fleischtheke aus, wo
schöne Hormonscheiben und mit Konservierungsstoffen gefüllte Würste prangten. Er genehmigte sich hundert Gramm Focaccia, ließ
aber den Bereich mit Quiches und frischer Pasta aus, weil in den Füllungen fast immer |81| Parmesankäse verarbeitet war, und auf Parmesan war er allergisch. Er war auch gegen alle anderen Sorten gereiften Käses allergisch,
oder zumindest glaubte er es, außerdem gegen Thunfisch aus der Dose; er konnte Eier nicht verdauen und vertrug Milchprodukte
mit Ach und Krach, außer Yoghurt und Butter. Er konnte kein Bier trinken, weil ihm das furchtbare Bauchkrämpfe bereitete,
nach Weißweingenuß lag er mit Kopfschmerzen flach. Hin und wieder genehmigte er sich ein Glas Rotwein, vorausgesetzt, daß
der Wein nicht aus dem Barrique-Faß kam, denn
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