freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
naiven Gesichtsausdruck ab. »Das stimmt nicht ganz. Wenn er einen berechtigten Strafstoß
nicht gepfiffen hat, kann er dafür einen pfeifen, der nicht berechtigt ist. Oder er hat einer Mannschaft zu Unrecht einen
Elfmeter gegeben und kann diesen Gefallen nun auch der anderen Mannschaft tun.«
Der Clubmanager setzte ein altväterliches Lächeln auf. »Auf gar keinen Fall. Pardon, aber Sie sind auf dem Holzweg. Wenn ein
Schiedsrichter sich so verhielte, würde er nur sich selbst schaden. Zwei Fehler sind schlimmer als einer.«
»Vielleicht in der Bewertung durch seine Vorgesetzten, sicher nicht bei den Fans. Die Ärmsten wären schon froh, wenn die Fehlentscheidungen
einigermaßen gerecht verteilt wären.«
Der Clubmanager schwieg. Marco Luciani hielt die Zeit für gekommen, den entscheidenden Streich zu führen. »Die Leute, die
mich über das Reglement falsch unterrichtet haben, meinten auch, daß gerade Sie, Herr Rebuffo, ein enges Verhältnis zu Herrn
Ferretti und anderen Schiedsrichtern hätten. Und daß Sie manchmal sogar während der Halbzeitpause |77| hinunter in die Kabinen gingen, um sich mit ihnen zu besprechen. Ich nehme an, daß ich auch in dieser Frage falsch unterrichtet
bin.«
Rebuffo räusperte sich. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt. »Herr Kommissar, ich stehe Ihnen für jede Auskunft gern zur
Verfügung. Aber wenn unser freundschaftliches Geplauder den Anschein eines Verhörs annimmt …«
Sie schwiegen beide für mehr als eine Minute, die Stille verwandelte das Zimmer in eine Kühlzelle. Auch dies war eine Methode,
das Kräfteverhältnis zu messen: Am Ende war es Rebuffo, der das Wort ergriff.
»Ich war am Sonntag auf der Tribüne, bis ich von der Tragödie erfuhr. Es gibt Dutzende Zeugen, die das bestätigen können.
Im übrigen, wenn ich Ihnen einen kleinen Rat geben darf, da Sie Ihren Angaben nach unsere Branche nicht gut kennen: Hören
Sie nicht auf das Geschwätz von Fans und Journalisten, auf unserem Terrain kann immer nur eine Mannschaft gewinnen, und alle
anderen meinen, sie hätten zu Unrecht verloren. Jeder kümmert sich um die eigenen Interessen, und jeder mächtige Club hat
Zeitungen und Fernsehsender im Rücken, die ihn unterstützen. Außerdem werden die Streitereien oft künstlich angeheizt, um
die Auflage und das Interesse an der Meisterschaft zu steigern. Neunzig Prozent aller Auseinandersetzungen, die Sie sehen,
sind reine Inszenierung. Theater, nichts weiter. Im Fernsehen springen die Präsidenten einander fast an die Kehle, und danach
gehen sie gemeinsam essen und verteilen friedlich den Kuchen untereinander.«
Marco Luciani nickte: »Das denke ich mir. Und das ist einer der Gründe, warum ich mich nicht mehr für den Fußball erwärmen
kann.«
Er erhob sich, um sich von dem Manager zu verabschieden. Er hatte erfahren, was ihn interessierte, und Rebuffo das mitgeteilt,
was dieser wissen sollte.
|78| Rebuffo reichte ihm die Hand und hielt sie einen Moment länger als nötig fest. »Wissen Sie, Herr Kommissar, mich wundert,
daß Sie bei einem Selbstmordfall so viele Nachforschungen anstellen. Wenn ich Ihnen einen Rat oder vielmehr einen Denkanstoß
geben darf, ich glaube, je länger Sie dieses traurige Kapitel fortschreiben, desto größer ist die Gefahr, daß sie vielen Leuten
unnötiges Leid zuzufügen: Angehörigen, Kollegen, Anhängern der Mannschaften. Und dann die Medien, Sie wissen, daß die keine
Skrupel kennen und auf Sie losgehen werden. Im Moment stehen noch alle hinter Ihnen, aber sollte der Fall nicht in wenigen
Tagen gelöst sein und die Meisterschaft endlich weitergehen, dann wird man die Wut an Ihnen auslassen.«
Dasselbe hatte auch der Oberstaatsanwalt gesagt. Das konnte kein Zufall sein. Rebuffo war der Drahtzieher, und es gab viele,
die nach seiner Pfeife tanzten.
»Schaffen Sie mir die Beweise für einen Selbstmord herbei, Herr Rebuffo, und ich werde mit Freuden den Fall zu den Akten legen.
Aber bis dahin werde ich wegen vorsätzlichen Mordes ermitteln und nicht ruhen, bis ich den Täter gefaßt habe.«
Wenige Minuten später klopfte Iannece an die Tür. Er sah aus, als hätte er eine angenehme Überraschung in petto. »Herr Kommissar«,
sagte er, »da ist jemand, der Sie sprechen möchte.«
»Wer ist es? Der Mörder?«
Iannece schien beleidigt. »Ähmm … nein, der nicht. Es ist ein Versicherungsdetektiv.«
Schön und gut, wenn man einen Tag gründlich versauen will, dachte Luciani,
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