freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
inzwischen wurde ihm schlecht von diesem verlogenen Holz-Bouquet, das jeden
Eigengeschmack und jedes Aroma nivellierte. Er nahm eine Flasche Lemonsoda und ging zur Kasse.
Er hatte praktisch nichts gekauft, aber wie immer starrte er ungläubig auf den Kassenbon. Wenn die Preise so weiterstiegen,
dann würde er sich nie die Miete für ein Haus am Meer leisten können.
Sandro Baffigo erwartete ihn am Tresen. Er war unrasiert und sah aus, als hätte er sich seit drei Tagen nicht gekämmt. Er
saß vor einem doppelten Whiskey und einer Schale mit Erdnüssen.
»Ist das dein Abendessen?« begrüßte ihn der Kommissar.
»Sieht so aus. Zum Essen ist es zu spät. Und außerdem sind im Alkohol alle Proteine, die ich brauche.«
»Das scheint mir eine anfechtbare These zu sein …«
Der Journalist unterbrach ihn. »Halt! Denk dran: Mach einem Säufer niemals Vorhaltungen. Reine Zeitverschwendung. Was nimmst
du?«
»Ein Lemonsoda.«
»Ist das dein Abendessen?«
»Ja. Es enthält alle Vitamine, die ich brauche.«
Marco Luciani erzählte, wie sich die Ermittlungen entwickelten und bedankte sich für den Tip mit den Handys, |82| der völlig neue Perspektiven eröffnet hatte. Dann fragte er Baffigo, wie der Fall in Fußballkreisen gesehen wurde.
»Die offiziellen Reaktionen sind einhellig«, sagte der Journalist, »man ist sich einig, daß der Schiedsrichter sich aus privaten
Gründen umgebracht habe, infolge einer Depression, und daß der Fußball an sich sauber und über jeden Verdacht erhaben sei.
Aber man ist sich auch einig, daß die Saison für einen Spieltag ausgesetzt und einmal nachgedacht werden sollte über diesen
wunderbaren Sport, der ebenso wunderbar auch bleiben muß; weiter sollte man doch den Schiedsrichtern unter die Arme greifen,
und wir alle müßten unsere Mitschuld eingestehen, angefangen bei der Presse; die Spieler müßten mit gutem Beispiel vorangehen
und so weiter und so fort … Diese heuchlerischen Kotzbrocken. Seit Jahren beten sie die immergleichen Floskeln herunter. Niemand
wagt sich vor, weil sie fürchten, daß auch diese Ermittlung wie eine Seifenblase platzen wird, aber in Wahrheit liegen viele
auf der Lauer und warten, wie die Geschichte ausgeht. Rebuffo hat reichlich Freunde, aber auch reichlich Feinde, und wenn
er eines Tages auf die Nase fallen sollte, dann wird man den Schlag bis nach Australien hören. Dann werden alle aus ihren
Löchern kommen, um ihm den Genickschuß zu verpassen. Wirst sehen, dann wird das wildeste Zeug erzählt: Manipulierte Spiele,
bedrohte Spieler, Interessenkonflikte. Rebuffo kontrolliert direkt oder mit Hilfe von Agenten eine Heerschar von Spielern
der oberen vier Ligen, außerdem viele ausländische Fußballer und eine Reihe von Trainern. Wer sich mit ihm anlegt, läuft Gefahr,
ohne Verein dazustehen. Das ist vielen Spielern und vielen Trainern so gegangen.«
»Ein hübsches Stilleben.«
»Warte, warte. Da gibt es noch das Kapitel der Geistertransfers: irgendwelche Burschen, die in einer schäbigen Amateurliga
ihre Spielberechtigung erhalten und später |83| für Millionen weiterverkauft werden. So wird ein Mehrwert erzeugt, mit dem man die Bilanzen frisiert und schwarze Kassen anlegt,
aus denen wiederum Schiedsrichter und organisierte Fanabteilungen bezahlt werden.«
»Wozu werden die Fans bezahlt?«
»Die organisierten Anhänger bekommen zwei- bis dreitausend Karten für die Fankurve bei Heimspielen, das sind richtige Eintrittskarten,
auf denen allerdings das Siegel der SIAE 1 fehlt. Die werden zum Vorzugspreis verkauft, und es besteht keine Gefahr, daß die Sache auffliegt, weil die Kartenabreißer ebenfalls unter Gesinnungsgenossen rekrutiert werden, und so werden ein paar Tausender schwarz erwirtschaftet.«
»Und was hat Rebuffo davon? Wird geteilt?«
»Weiß ich nicht. Kann sein. Auf jeden Fall muß er die organisierten Fans bei der Stange halten, denn erstens provozieren sie
Ausschreitungen, wenn der Club sie nicht unterstützt, die zerdeppern alles, schmeißen Gegenstände aufs Spielfeld und können
so dafür sorgen, daß eine Mannschaft das Heimrecht verliert oder saftige Strafen zahlen muß. Das würde den Club am Ende viel
mehr kosten. Und dann stellen die Hardcore-Fans die bewaffnete Hausmacht dar; mit ihnen bringt man lauffaule Spieler auf Trab
oder solche, die ausstehende Gehälter einfordern oder eine Abfindung verlangen, um den Verein zu verlassen. So mancher, unter
dessen Fenster sich
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