freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
sofort an einen Unfall. Oder an einen Mord, der wie ein Unfall aussehen sollte. »Im Krankenhaus? Was
ist denn passiert?«
»Er hatte heute nacht … eine Krise. Eine seiner typischen Krisen. Sie haben ihn ins San-Martino-Spital gebracht. Auf die Intensivstation.«
Luciani ließ alles stehen und liegen und rannte zu seinem Auto. Als er auf die Intensivstation kam, sah er draußen einige
Kollegen Baffigos, Kriminalreporter, die er von früheren Fällen her kannte. Ihre Mienen waren alles andere als beruhigend.
Sie tranken gemeinsam einen Kaffee aus dem Automaten, und Luciani ließ sich auf dem Korridor erzählen, was vorgefallen war.
»Sie haben ihn heute morgen gegen halb neun hier eingeliefert. Das war reiner Zufall. Er hatte Glück, denn ausgerechnet heute
war Putztag bei ihm, und seine Zugehfrau fand ihn bewußtlos am Boden liegen. Wenn es an einem anderen Tag passiert wäre –
wer weiß, wann man ihn gefunden hätte. Vor den Abendstunden hätten wir uns keine Gedanken gemacht.«
Luciani klingelte an der Tür zur Station, und als er seinen Dienstausweis präsentierte, ließ man ihn passieren. Ein Pfleger
zeigte ihm, wo er sich die Hände waschen sollte, gab ihm einen Mundschutz, einen grünen Kittel und Überschuhe, dann brachte
er ihn zum verantwortlichen Stationsarzt.
»Ich bin Kommissar Luciani. Könnte ich Herrn Baffigo sehen?«
Sein Gegenüber betrachtete ihn ein wenig verwundert. »Sind Sie dienstlich hier? Oder sind Sie mit ihm verwandt?«
»Ich bin ein Freund, aber es betrifft auch eine Ermittlung.«
|261| Sie fixierten einander eine Weile, dann senkte der Arzt die Augen. »Natürlich, kommen Sie«, sagte er und brachte Luciani zu
Baffigos Zimmer. »Sie können ihn von hier aus sehen, von der Scheibe aus. Es bringt nichts, wenn Sie hineingehen, er kann
ohnehin nicht sprechen.«
Marco Luciani betrachtete den Freund. Er lag hingestreckt auf dem Bett, Kopf und Rücken mit Kissen gestützt. Überall an seinem
Körper hingen Schläuche und Infusionen, auf dem Mund hatte er eine Atemmaske, auf dem Kopf ein großes Pflaster, über einem
satten roten Fleck von Chromquecksilber. Neben ihm stand ein Apparat, der die lebenswichtigen Organe überwachte.
»Schläft er?« fragte der Kommissar.
Der Arzt preßte die Lippen zusammen. »Genau genommen … liegt er im Koma.«
»Im Koma!?«
»Ja, ein leichtes Koma, das wir medikamentös herbeigeführt haben. Wir müssen es einige Tage aufrechterhalten, um ihn zu behandeln
und wieder einigermaßen auf die Beine zu bringen.«
Seit Marco Luciani gehört hatte, daß Baffigo im Krankenhaus war, schwirrte eine Frage in seinem Kopf herum: »Hören Sie … sind
wir sicher, daß er nicht … überfallen wurde oder sonst etwas in der Richtung?«
Der Arzt schaute ihn verblüfft an: »Wie meinen Sie das?«
»Ich sehe, daß er einen Kopfverband trägt.«
»Ach das … er muß sich im Fallen den Kopf angeschlagen haben, aber das ist nichts Ernstes. Nur ein Horn und ein paar Abschürfungen.«
Dann sah er den Kommissar durchdringend an: »Sie wissen, wo das Problem bei Herrn Baffigo liegt, oder?«
»Ich denke schon. Er trinkt ein bißchen viel.«
Der Arzt hob die Augenbrauen. »›Er trinkt ein bißchen |262| viel‹ ist nicht die korrekte Umschreibung. Ihr Freund ist Alkoholiker im Endstadium, der Alkohol hat ihn fast schon umgebracht.«
Marco Luciani wußte nicht, warum, aber er fühlte sich schuldig.
»Ist es so schlimm? Könnte er es nicht mit einer Entziehungskur versuchen?«
»In dem Stadium, in dem er sich befindet, glaube ich nicht. Eine Entziehung könnte sein Leben vielleicht um ein paar Monate
verlängern, vielleicht um ein Jahr, aber es würde ihm dreckig gehen, und ich weiß nicht, ob es die Sache wert wäre. Man müßte
eigentlich das gesamte Blut reinigen und eine neue Leber implantieren, aber selbst dann … Sein Organismus ist geschädigt und
würde wohl kaum eine solche Operation überstehen. Wenn er so weitermacht, glaube ich, daß schon die nächste Krise fatal sein
wird.«
Marco Luciani betrachtete weiter den leblosen Körper hinter der Scheibe. Auch wenn sie sich jahrelang nicht gesehen hatten
und der Kommissar Baffigo nicht besonders vermißt hatte, setzte ihm die Vorstellung zu, daß er sterben würde. Sein ehemaliger
Schulkamerad war wie ein Freund zu ihm gewesen, hatte ihm geholfen, als er Hilfe brauchte, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.
Das kam nicht alle Tage vor.
»Wann werden Sie ihn aus dem
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