freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Koma holen?«
Der Arzt zuckte mit den Achseln. »Vielleicht genügen ein paar Tage, drei vielleicht. Mir wäre es lieber, wir müßten ihn nicht
lange im künstlichen Koma halten, aber das hängt davon ab, wie er auf die Behandlung anspricht.«
Der Kommissar merkte sich diesen Zeitraum und setzte sich ein neues Ultimatum, um den Fall abzuschließen. Wenn Baffigo wieder
aufwacht, möchte ich ihm die Lösung des Falles zum Geschenk machen, dachte er.
|263| Er stieg wieder ins Auto, schwenkte gen Westen und suchte im Radio den Klassik-Sender. Er wollte ein bißchen herumfahren,
ohne Ziel, und in aller Ruhe nachdenken. Er ließ sich eine Weile von Händel begleiten, dann für gut eine halbe Stunde von
Vivaldi. Als der Sprecher eine Arie aus der »Diebischen Elster« ankündigte, dachte Luciani, daß sie wahrscheinlich in Gedanken
an einen korrupten Schiedsrichter, ganz in Schwarz, komponiert worden war. Er erkannte die Melodie und lächelte.
|264| Freitag
Als er aufwachte, lag Sofia Lanni noch zusammengerollt auf dem Bett, das Gesicht ihm zugewandt. Sie schlief immer so, nach
dem Sex, das Kissen zwischen die Beine geklemmt, damit der Rücken gerade lag. Er vertiefte sich in ihren Anblick, und manchmal
war sein Blick so intensiv, daß sie davon erwachte; sie schlug dann plötzlich die Augen auf und wirkte fast verschreckt, als
fürchtete sie, im Schlaf ein Geheimnis oder eine Schwäche offenbart zu haben. »Schlaf jetzt auch«, sagte sie dann, drehte
sich sofort auf die andere Seite und zog die leichte Decke über die Schultern. Marco Luciani blieb noch auf und malte sich
ihre vollendeten Formen unter dem Laken aus – Phantasievorstellungen, deren Heftigkeit ihn selbst überraschte.
Diese Frau, dieses Mädchen hatte an seinen Grundfesten gerüttelt und in wenigen Tagen seine Prinzipien erschüttert: Einsamkeit,
Enthaltsamkeit, Askese. Auch in Sachen Sex hatte der Kommissar jüngst zur Magersucht geneigt. Als Jugendlicher war seine Begierde
so bedingungslos gewesen, daß sie keinen Raum für anderes ließ, aber dann hatte auch auf diesem Gebiet eine Art Appetitlosigkeit
eingesetzt, die Überzeugung, daß es unterm Strich die Sache nicht wert war. Jedes Mal, wenn er mit Greta schlief, spürte er,
daß er sich schlicht und ergreifend in ihr entleerte, und jedes Mal wußte er, daß er das nächste Mal ein wenig ausgetrockneter
sein würde. Und eines Tages würde er nicht einen Tropfen mehr hergeben, bei ihr nicht, und bei keiner anderen Frau. Es fiel
ihm nicht schwer, sich zu beherrschen, und manchmal brachte er sie zum Höhepunkt, verzichtete |265| selbst aber darauf und lebte das bißchen Lust, das ihm geblieben war, später unter der Dusche aus.
Bei Sofia Lanni war Marco Luciani wie eine Espressokanne, die auf der Feuerstelle stand: War er einmal am Siedepunkt, dann
gab es kein Halten mehr, er entlud sich mit Gewalt, pumpte vier, fünf lange Spritzer seines Samens in sie, während er versuchte
sein Schreien zu unterdrücken. Dann kam sie schnell mit ihm gemeinsam, und manchmal lachte sie mit ungläubigem Stolz darüber,
daß sie ihm soviel Lust bereitete.
Danach betrachtete er ihr sanftes Engelsgesicht und fragte sich, ob neben dem Sexualtrieb bald auch seine anderen Sinne wieder
erwachen würden: die Lust an Geselligkeit, am Essen, am Trinken, am Reden und Lachen. Der Schwachpunkt an einem Turm ist immer
das Fundament, dachte der Kommissar, aber er dachte auch, daß er nicht einknicken durfte, denn wenn er zusammenbrach, würde
niemand sich die Mühe machen, einen neuen Turm zu errichten, einen Turm, der widerstandsfähiger und schöner war, genau im
Lot und sachgemäß verputzt. Nein. In dem Moment, in dem er zusammenbrach, würde von seinem leuchtenden Beispiel nur ein Trümmerhaufen
bleiben.
Er stieg ins Auto, aber ehe er den Motor startete, blieb er eine Weile sitzen, die Augen geschlossen. Es ist an der Zeit,
den Fall abzuschließen, dachte er, und gleich danach wird auch diese Beziehung zu Ende sein. Das weiß ich genau. Sinnlos,
daß ich mich weiter Illusionen hingebe. Am besten, ich tue es sofort, solange mir noch ein bißchen Stolz und gesunder Menschenverstand
geblieben sind, denn je länger die Sache dauert, desto schwieriger wird es.
Er hätte gerne Angelinis Ultimatum ignoriert und neue Indizien für eine Mordtheorie gesammelt. Aber wenn man die Ermittlungsergebnisse
objektiv betrachtete, hatten sich |266| die wichtigsten Fragen nach
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