freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Verspätung
gefunden. Ins Stadion hatte er ein neues mitgenommen, eines mit integrierter Kamera. Das war wohl das Sonntagshandy, für die
intimen Freunde, auf dem er vermutlich auch noch einmal die Aktionen der ersten Halbzeit anschauen konnte: Tore, umstrittene
Elfmeter und so weiter. Eine Art Zeitlupe in Direkteinspielung. Ferretti benutzte es vor der Partie: Er betrat die Umkleide,
hörte vermutlich einen Sprechchor der Fans, die schon ihre übliche Show abzogen, er sah die Tribüne mit all den Schals und
machte ein Foto, das er seinem Sohn schicken wollte. Per E-Mail nehme ich an. Ist das technisch möglich?«
»Sicher.«
»Gut. Durch eine Überprüfung des Computers läßt sich das verifizieren. Aber wenn wir uns den Ärger mit Hausdurchsuchung, Beschlagnahmung
etc. pp. sparen wollen, reicht auch ein Blick auf die Verbindungsübersicht, falls man sich endlich bequemt, sie uns zu übermitteln.
Wenn Ferretti das Foto an die Mailadresse geschickt hat, müßte die Nummer des zweiten Handys auftauchen, oder?«
Giampieri schaute ihn verwundert an: »Wo auftauchen?«
»In der Verbindungsübersicht des Festnetztelefons, das ans Internet angeschlossen war.«
»Tja, interessante Theorie. Aber in der virtuellen, und auch in der elektronischen Wirklichkeit wird der Computer mit einem
Server verbunden, und in den Übersichten bleibt nur die Spur von der Verbindung zwischen Festnetzanschluß |272| und Server. Wenn du sehen willst, welche E-Mails jemand bekommen hat, mußt du sein Mailprogramm öffnen, vorausgesetzt, er
hat die Mail gespeichert.«
Der Kommissar war sprachlos. »Ach, du weißt doch, daß ich von diesem technologischen Kram nicht die Bohne verstehe. Im übrigen
bist du nur deshalb mein Vize, damit du meinen genialen Eingebungen das technologische Rüstzeug gibst … Und sag mal, Herr
Ingenieur, läßt sich das irgendwie feststellen, ohne das Kind zu verhören oder das Haus zu durchsuchen?«
Giampieri setzte eine zerknirschte Miene auf: »Es besteht die Möglichkeit. Wir armen Nerds kennen sie, und auch einige höherentwickelte
Affen haben gezeigt, daß es in wenigen Stunden zu begreifen ist. Wenn du willst, nehmen wir uns eine Woche frei, und dann
versuche ich es dir zu erklären.«
»Versuch’s erst gar nicht. Mach’s und basta.«
»Auch wenn es … eher illegal wäre?«
»Ich habe dich nicht gehört. Was?«
»Es wird eine Weile dauern.«
Marco Luciani nickte. Er verabschiedete sich von seinem Vize und schärfte ihm ein, mit niemandem über die mögliche Wende zu
sprechen: »Und ich meine niemanden, Nicola, nicht einmal hier im Haus: Es darf keine undichte Stelle mehr geben, ich will,
daß diese Sache absolut geheim bleibt.«
Er begab sich in sein Büro und dachte halblaut nach: »Ich hätte gleich merken müssen, daß Ferretti das Handy gewechselt hatte:
Wozu hätte er sich sonst die Nummer der Brasilianerin auf einen Zettel notiert? In seinem alten Handy war die Nummer gespeichert,
und in sein neues wollte er die Nummer offensichtlich nicht eingeben, aus irgendeinem persönlichen Grund …«
|273| Er rief sofort Delrio an und informierte ihn über die Neuigkeit. Auch den Staatsanwalt bat er um absolute Verschwiegenheit,
außerdem sollte er Angelini dazu bringen, die Verbindungsübersichten zu bewilligen. Delrio meinte, Luciani solle ganz beruhigt
sein, er werde ihm bald Bescheid geben. Dann rief der Kommissar im Krankenhaus an und fragte nach Baffigos Befinden. Man sprach
von »deutlichen Anzeichen der Besserung«, man werde den Patienten vermutlich am folgenden Tag aus dem Koma holen. Anschließend
telefonierte er mit Sofia Lanni, die er ebenfalls über die Neuigkeiten im Fall Ferretti informierte, wobei er erklärte, wie
er auf die Idee mit dem zweiten Handy gekommen war. Sie jubelte: »Phantastisch. Das erscheint absolut einleuchtend. Das heißt,
wir sind wieder am Ball mit unserer Mordtheorie. Wenn mein Chef das erfährt, trifft ihn der Schlag. Ich habe ihm kürzlich
mitgeteilt, daß wir dabei sind, den Fall als Selbstmord abzuschließen, ich rufe ihn gleich noch einmal an …«
»Warte, sprich vorerst mit keinem darüber. Es ist nur eine Idee, wir haben noch keinen Beweis.«
»Okay. Kein Problem. Hör mal, warum kommst du nicht gegen Abend zu mir? Ich hatte auch eine Idee …«
Marco Luciani spürte, wie es in seinen Schenkeln prickelte: »Ich werde dasein.« Da der Vormittag extrem ergiebig gewesen war,
ging er Tennis spielen ohne
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