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FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst

FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst

Titel: FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Hemmann
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die er sich eine Lederjacke gezogen hatte, folgte dem Jungen im großen Abstand. Erik bemerkte den Mann nicht, der sich geschickt versteckte. Kaum Menschen waren in diesem alten Teil von Wiederitzsch auf den Beinen. Vor der Kirche stand der Pfarrer und redete mit einer alten Frau. Beide sahen den Jungen nicht. Und ebenso wenig dessen Verfolger, denn als der an der Kirche vorüber ging, tat er dies im großen Abstand auf der anderen Straßenseite.
    In der schmalen Kirchstraße war kein Mensch zu sehen. Die Häuser standen in den hinteren Bereichen der Grundstücke, häufig verbargen dichte Tannen den Blick auf die Straße.
    Der fremde Mann mit dem dunklen Gesicht nahm eine Zigarette aus dem Mund, warf sie achtlos weg und lief nun deutlich schneller, am Rand der teilweise unbefestigten Straße.
    Dort, wo das Brachland am dichtesten bewachsen war, rannte der Mann, bis er den Jungen zwanzig Meter vor sich sah. Zum Haus Nummer 88 waren es noch einhundert Meter.
    „He, Erik!“, rief der Mann und der Junge blieb wie angewurzelt stehen.
    Wer war das? Diesen Mann kannte er nicht, doch woher wusste der seinen Namen? Und warum sah der Mann so komisch aus?
    „Warte mal, Erik, deine Mutti schickt mich.“
    Erik atmete auf, denn im ersten Moment war er sehr erschrocken. Papa hatte immer geschimpft, weil es nicht weiterging mit den Bauarbeiten in der Straße. Und Mama sagte: „Zu Fuß bekommt mich abends hier keiner durch.“
    Nun, es war nicht Abend, wenngleich die Sonne an diesem düsteren Tag keine Chance hatte. Es war kalt, windig und nass.
    „Was ist denn?“, meinte Erik, als der Mann fast vor ihm stand. Irgendwie sah der Mann komisch aus, faschingsmäßig, fand der Junge. Und er sprach nicht richtig Deutsch.
    Der Mann atmete schwer. „Ich soll dir etwas geben, von deiner Mama. Wo hab ich das ...?“ Er griff in die Innentasche seiner Lederjacke, dann holte er eine längliche Plastikpackung heraus, öffnete diese und hielt Erik blitzschnell ein Tuch vor Mund und Nase, während er den Jungen mit einem festen Griff umklammerte. Erik versuchte sich für einen Moment zu wehren, seine Kräfte jedoch ließen rasch nach, Arme und Beine waren wie gelähmt, der Junge sackte in sich zusammen, der schwere Ranzen riss ihn nach hinten um.
    Nun griff der Mann zu, hob den Neunjährigen Erik Neubauer samt Ranzen hoch, schlug sich ein paar Meter weiter durch das Brachland. Nach einigen Minuten erreichte er eine noch feuchtere Stelle, dort plätscherte ein kleines Flüsschen, eher ein Bach, dahin. Mehr als dreihundert Meter schlürfte der Mann durch den Bach, der in ein Wäldchen hineinführte. Dann verließ er das flache Gewässer, lief aus dem Wald über einen moorastigen Feldweg. Einige Meter dahinter stand im Schutz einer Scheune das Fahrzeug.
    Nur Minuten später, an einer völlig anderen Stelle, in der Nähe von Lindenthal, mischte sich der weiße Kleintransporter in den öffentlichen Verkehr und verschwand auf Leipzigs Straßen.
    Auf der Pritsche lag ohnmächtig der Körper des Jungen, rutschte in jeder Kurve hin und her.

    Als Hinrich völlig übermüdet sein Büro betrat, glaubte er seiner Nase nicht. Da saß diese Frau an seinem Schreibtisch und blickte ihn lächelnd an. Sie hatte Hinrichs Untertasse in einen Aschenbecher umfunktioniert und blies den Qualm ins Zimmer.
    Engler lächelte nicht, wirkte ziemlich zerfahren und drehte sich auf seinem Stuhl, als erwarte er ein höllisches Donnerwetter des Chefs. Doch der kam erst gar nicht dazu etwas zu sagen, denn die korpulente Frau eröffnete das Gespräch.
    „Tolle Kiste, die Sie fahren dürfen“, meinte die kräftige Frau und warf dem Kommissar den Autoschlüssel zu. „Ihr Kollege war etwas aufgeregt ...“
    Hinrich wusste nicht so recht, wo er beginnen sollte. Das Chaos war perfekt. Deshalb sagte er nichts.
    „Na, Herr Assistent, wollen Sie mich nicht mal Ihrem Chef vorstellen?“, fragte die Dame deshalb ungeniert und vorwurfsvoll.
    Hinrich ging wortlos zur Kaffeekanne, nahm sich eine neue Tasse, goss Kaffee hinein, legte drei Stück Zucker dazu und setzte sich auf den harten Verhörstuhl, wie man die Ersatzsitzgelegenheit des Kommissariats im Allgemeinen titulierte.
    „Ähm ...“ Engler verzog sein Gesicht zu einem einzigen Krampf. Ihm war die Anwesenheit dieser Frau peinlich. Die klare Ordnung des Büros wurde gehörig durcheinander gebracht. „Das, das ist ... die Kriminaloberkommissarin Hanni Polterer, aus Hamburg.“
    „Soso, Polterer, Kriminaloberkommissarin

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