FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst
...“
Entgegen Englers Erwartungen hielt sich Hinrichs bedeckt. Der hatte die Glacéhandschuhe noch an.
Die Kommissarin erhob sich und streckte Hinrich die rechte Hand entgegen. „Sagen Sie Hanni zu mir. Dann werden wir schneller warm miteinander.“
Hinrich nahm den kräftigen Händedruck entgegen. „Warm? Hanni ... Soso ...“ Er ging zum Fenster und kippte es an. „Man hat uns das Rauchen in diesem Haus verboten“, meinte er ganz nebenbei.
„Wenn MAN die Zigaretten nicht verbietet, dann ist mir das egal“, sprach die selbstbewusste Frau und drückte ihre Zigarette auf der Untertasse aus.
Der Kommissar schien seinen ersten Schock überwunden zu haben. „Hat die Zeugenvernehmung was gebracht, Toni?“
„Wir ... nicht direkt Zeugin ...“, stammelte Engler.
Hanni Polterer ging zu der großen Leipzig-Karte, die an der Wand hing und an deren Rand verschiedene Pins steckten. Sie nahm einen roten zur Hand und gab ihn an Hinrich weiter. „Kommen Sie mal her, Herr Oberkommissar.“ Sie winkte Hinrich zu sich. „Zeigen Sie mir, was das für eine Gegend war, wo Ihr Erik verschwand.“
Hinrich erhob sich, nahm eine der Nadeln und steckte den Pin in die Wand. „Hier, Südvorstadt, Tulpenweg 17.“
„Gut.“ Die Kommissarin ergriff den nächsten roten Pin, dann fuhr ihr Finger über die Karte. In Markranstädt, genau an den Rand der B 87, steckte sie den zweiten. „Und hier verschwand unser Erik.“
Hinrich blickte gebannt auf die Karte. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Er schluckte gesammelte Spucke hinunter, ging zum Fenster und schloss es wieder. „Unser Erik?“, fragte er schließlich.
„Ja. Neun Jahre, schlank, dunkelblond, Nachname Schultz, Vorname Erik. Verschwunden auf dem Weg zur Schule, wahrscheinlich an der Bushaltestelle weggefangen, keine Zeugen, nichts. – Rauchen Sie mal eine, Hinrich, Ihre Hände zittern ja. In so einer komplizierten Phase überstehen Sie den Nikotinentzug nicht. Wie lange haben Sie geraucht?“
Hinrich lief langsam durch das Zimmer. „Dreißig Jahre ... – Es verschwinden innerhalb von zwölf Stunden zwei neunjährige Jungen, die beide Erik heißen?“ Er näherte sich seinem Schreibtisch. „Und es gibt keinerlei Zeugen ...“ Automatisch griffen seine Finger in die offene Schachtel. „Das ist kein Zufall. Wann war das genau?“ Schon hielt er die Zigarette zwischen den Fingern.
„Gegen sieben Uhr, heute Morgen.“
Hinrich fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht.
In diesem Moment klopfte es an die Tür. „Störe ich? – Ist noch genügend Kaffee da? – Hier, Herr Kriminaloberkommissar, die Süßigkeiten. Kassenzettel liegt mit drin. – Na, huch, wird hier wieder geraucht?“
Hinrich ließ schnell die Zigarette unter einem Blatt Papier verschwinden. „Hamburger Territorium. Ausnahmezustand.“
„Ach so.“ Die junge Sekretärin lächelte. „Und, Herr Engler, brauchen Sie irgendwas?“
„Der braucht mal so was wie Sie“, legte die norddeutsche Kommissarin fest und Engler schluckte. „Der weiß ja nicht einmal, dass es noch ein Leben nach der Arbeit gibt. Nicht wahr, Toni?“
Nun wurde Engler rot, schüttelte nervös den Kopf.
„Gut, Mädchen, wenn wir was brauchen, melden wir uns. Du kannst jetzt gehen.“
Auch die Sekretärin errötete, warf Engler noch einen verbündenden Blick zu und verließ den Raum.
„Sie können die Zigarette jetzt wieder vorholen, Hinrich. – Gut, da wir noch keinerlei Infos darüber haben, warum die Jungen verschwinden, sollten wir systematisch vorgehen. Ich für meinen Teil vermute, dass wir auch am Mittwoch nicht wissen, wer hier seine Hände im Spiel hat.“
„Es könnte sein, dass die Jungen entführt wurden, weil sie Erik heißen. Es könnte sein, dass sie entführt wurden, weil sie Erik heißen und neunjährig sind, es könnte auch sein, dass es nur ein Zufall ist, dass beide neun sind und Erik heißen.“
„Das haben Sie treffend formuliert, Hinrich – oder soll ich Holger sagen?“
„Nee, Frau ähm ... Hanni, ach von mir aus. – Gibt es denn irgendeinen Grund, warum Kinder mit dem gleichen Namen entführt werden sollten? Und wenn man von einem Zufall redet, der Name Erik kommt mir nicht so häufig vor ...“
Nun endlich wagte Engler sich in das Gespräch einzumischen. Er ging zum Flipchart, riss ein Blatt ab, auf dem „Kaffee kaufen und Zucker!“ stand und schrieb mit großen Buchstaben ERIK darauf. „Es gibt zwei Verwandtschaften dieser Namensform. Eric mit C und Erik mit K. Unsere Gesuchten
Weitere Kostenlose Bücher