FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst
Sie doch sagen, oder?“
Die Sekretärin nickte. „Deshalb kann ich mich an ihn so gut gegangen.“
„Wir gehen mal kurz raus“, legte Hanni Polterer fest und verließ mit Fräulein Marquardt das Zimmer. Hinrich nickte erst, als die beiden schon draußen waren.
Nebenan setzten sich die Frauen.
„So, Mädchen“, meinte die Kommissarin und nahm eine Hand der Sekretärin in die ihrige. „Pass auf, es ist wahrscheinlich, dass der Emanuel die vier Jungen auf dem Gewissen hat. Die sind allemal gerade neun Jahre alt. Ich hab keine Ahnung, was in den Emanuel gefahren ist, dass der so was tut, aber es könnte sein, dass der den Kindern sehr, sehr wehtut. Verstehst du das?“
Ein Nicken folgte.
„Außer uns beiden hört jetzt keiner zu. Und ich erzähl niemanden, was du mir sagst. Sag mir alles, was du weißt, jeder Hinweis kann den Jungen helfen, falls dieser Emanuel überhaupt dahinter steckt. Okay?“
Wieder ein Kopfnicken. Hanni Polterer ließ die Hand der jungen Frau los und suchte Zettelblock und Stift.
„Na ja, ... Emanuel hat mal zu mir gesagt, wenn ich ein Mann wäre, hätte er mich sofort genommen. Wir haben viel miteinander geredet. Er war ziemlich allein, seine Familie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben, nachdem er sich geoutet hatte. Emanuel besuchte oft die Blaue Trude in Leipzig; in der Katharinenstraße ist die. Das ist ‘ne Schwulendisko und Kneipe und so. Er hat erzählt, dass es für ihn sehr schwer wäre, einen wirklichen Freund zu finden. Die meisten dort wollten bloß einen Jungen, mit dem sie es eine Nacht lang treiben konnten. Freitagabend ging er immer ins Stargayte, eine Männersauna, ganz hier in der Nähe. Dort machte er Bodybuilding und verbrachte meistens die ganze Nacht bis Samstag in der Sauna. Sein Leben war ziemlich streng geregelt.“
„Das heißt, er ist kräftig?“
„Ja, so ziemlich. Hatte ‘ne verdammt gute Figur und auch sonst ...“
„Hm ..., sag mal, darf man hier irgendwo rauchen?“
„Nur auf der Straße.“
Hanni Polterer verzog ihr Gesicht. „Prima. Raucht dein Chef wenigstens?“
„Ja. Aber nie heimlich im Büro.“
„Hat der Emanuel Müller mal irgendwas verlauten lassen, dass er kleine Jungen mag, hast du vielleicht bemerkt, dass er pädophil war?“
Fräulein Marquardt errötete.
„Was ist, Mädel?“, legte die Hamburgerin nach.
„Er ... Da war ein Junge, mit dem ich ihn ein oder zwei Mal traf ...“
„Und?“
„Ich habe gefragt, ob das sein Bruder wäre.“
„Und?“
„Emanuel meinte, das wäre sein Kumpel. – Und wissen Sie was, der Junge hieß auch Erik.“
„Erik? Warum sagst du das nicht gleich? – Das darf doch nicht ... – Wie alt war dieser Erik? Und wann war das?“
„Vielleicht acht oder neun ... So lange ist das noch nicht her. – Meinen Sie wirklich, Emanuel hat die Jungs entführt?“
„Hör zu, Mädchen, der Emanuel wird verdächtigt. Mehr nicht. Schuldig ist der erst, wenn es bewiesen und er verurteilt ist. – Und, was hat er gemacht, als er hier fertig war? ...“
In diesem Moment steckte Hinrich seinen Kopf durch die Tür. „Fertig?“
„Ein Praktikum im Stadtgeschichtlichen Museum“, meinte Fräulein Marquardt noch.
„Ja, ja, Alterchen.“ Die Hamburgerin erhob sich mit einem leichten Stöhnen. „Endlich raus hier, meine Lunge ruft nach Nikotin.“ Noch einmal wandte sich die Kommissarin an das junge Fräulein. „Und du weißt nicht zufällig, wo der Emanuel jetzt steckt?“
Fräulein Marquardt schüttelte den Kopf erneut.
„Nun gut. Es kann sein, dass ich noch ein paar Fragen habe. Bei Gelegenheit. – Holger, zeig ihr mal die Bilder.“
Der Kommissar holte die Fotos der Jungen aus der Tasche. Fräulein Marquardt schaute sie sich einzeln an.
„Ich hab ihn nur kurz gesehen.“ Sie reichte der Hamburgerin eines der Bilder. „Das ist er. Ich bin mir ziemlich sicher.“
Hinrich blickte die Polterer eindringlich an.
Ein kurzer Abschied, gekoppelt mit einem innigen Dankeschön an den Amtsleiter folgte.
Vor dem Haupteingang, vor dem der Ford Mondeo parkte, den man Hinrich als Ersatzfahrzeug überlassen hatte, zündete sich Hanni Polterer eine Zigarette an. „Telefonier du mal. Ich renn hier nicht weg“, meinte sie zu Hinrich.
„Was ist nun?“, fragte Hinrich, der endlich aufgeklärt werden wollte.
„Dein Emanuel hatte einen Erik als Freund. Und wie es ausschaut war es Erik Bästlein.“
Hinrich schüttelte den Kopf. „Schau, ich hab ihm aus Versehen den Kugelschreiber
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