FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst
geklaut.“ Hinrich ließ den Stift in seinem Mantel verschwinden. Dann beugte er sich ein wenig zu seiner Kollegin und flüsterte ihr etwas ins Ohr, stieg ins Fahrzeug und schloss die Fahrertür.
Hanni Polterer ging ganz langsam zu einem jungen Mann, der mit seiner schwarzen Umhängetasche in der Nähe auf den Stufen zum Rathaus stand.
„Wo geht’s denn hier zur Redaktion der Bildzeitung?“, fragte die Hamburgerin laut. Bevor der Mann antworten konnte, meinte sie, ebenso laut: „Da gehst du jetzt mal besser hin. Sonst lass ich dich wegen Behinderung der Kripoarbeit verhaften und tausend Jahre einsperren. Heute 18 Uhr, ist Pressekonferenz im Präsidium. Auch für die Bild . Verstanden?“
Der Mann sagte kein Wort und verkrümelte sich.
„Hört zu, ich will, dass ein paar Kollegen die Gegend um die Frankestraße 12 kontrollieren. Wir suchen einen Emanuel Müller. Bitte verdeckt arbeiten, wir wollen ihn nicht unruhig machen. Ja, Frankestraße 12, irgendwo im Norden ist die. Wie gesagt, ganz zurückhaltend. Und findet bitte ein Bild von diesem Emanuel Müller, damit wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Außerdem möchte ich wissen, ob der Kerl irgendwo registriert ist. Die Versammlung verschieben wir auf 18 Uhr. Alles klar?“ Hinrich hatte mit der Einsatzleitung gesprochen. Erst mal waren alle beschäftigt. Er warf einen Blick auf seine Uhr und öffnete wieder die Fahrertür. „Es ist erst dreiviertel Zehn. Wir fahren direkt ins Stadtgeschichtliche Museum.“
Hanni Polterer schaute auf ihre Uhr. „Es ist nicht dreiviertel Zehn. Es ist viertel vor Zehn. – Wo ist das Museum?“
„In unserem anderen Rathaus. Ich fahr den Wagen in die Tiefgarage um die Ecke. Kommst du?“
„Leipzig kann sich in Zeiten leerer Stadtkassen zwei Rathäuser leisten? – Hast du gesehen wie braungebrannt der Gutmeyer war?“
„Sonnenbank. Erkenn ich sofort.“
„Hm.“
Ein kurzer Kontrollblick, dann trat Hanni Polterer die Zigarette aus und stieg zu Hinrich in den Ford.
Peter Minkwitz klopfte vorsichtig an Englers Bürotür. Kommissar und Assistent kamen seit langer Zeit gut miteinander aus. Hinrich verborgte Engler mitunter an Minkwitz, der sich dann fürsorglich um die Wissensanreicherung des Kriminalassistenten kümmerte.
„Na, du Ganovenfänger. Du strahlst recht?“, fragte Kommissar Minkwitz, als er in Hinrichs Büro stand.
Engler erhob sich von seinem Platz, ging zum Fenster. Draußen machte sich schon wieder Regen breit. „Weißt du, als ich zehn war, damals im Ferienlager an der Ostsee, da habe ich ein Mädchen kennen gelernt. Die war neun und ganz lieb. Wir hatten irgendwie das Gefühl, wir würden zusammen gehören. Ein Kribbeln im Bauch, abends zur Disko dicht nebeneinander sitzen, gegenseitig Händchenhalten ... Wir sahen uns danach nie wieder. Dieses Gefühl – an das ich mich noch gut erinnern kann – habe ich leider nie wieder erlebt. Bis zum gestrigen Abend.“
Minkwitz grinste. „Du hast dich also verliebt. Das wird aber auch höchste Zeit, du bist zweiunddreißig! Und wer ist die Glückliche?“
„Jutta Krahmann.“
„Hinrichs Kronzeugin? – Holger hat mir von ihr erzählt. Und weiß sie es schon?“
„Was soll sie wissen?“
„Na, dass du dich in sie verguckt hast!“ Der Kommissar goss sich eine halbe Tasse Kaffee ein. „Hast du es ihr gesagt?“
„Ich musste nichts sagen.“ Engler lief ein wenig rot an. „Sie scheint das Gleiche zu fühlen.“
„Na, dann läuft es ja bestens. Hör zu, ich muss jetzt in die Frankestraße. Dein Chef hat einen Verdächtigen aufgetrieben, der mal dort lebte. Ich will mir mit zwei, drei Leuten die Gegend anschauen. Kommst du mit?“
„Ich weiß nicht, um Zwölf ist die Versammlung. Und Hinrich sagte, ich soll hier bleiben ...“
„Die Versammlung hat Holger auf 18 Uhr verlegt. Los, nimm deine Jacke und komm mit, ich sag dem Chef Bescheid.“ Sofort griff Minkwitz, ein Vierundvierzigjähriger – Hinrich sagte immer: „Melden Sie sich bei dem Mann mit ohne Haare!“ – zum Handy.
„Holger, ich fahre raus in die Frankestraße und nehme deinen Lehrjungen mit. Ist das okay?“ Kurz darauf steckte Minkwitz das Handy wieder in die Manteltasche, schlürfte den restlichen Kaffee aus.
Toni Engler stellte die Anrufweiterschaltung auf sein Handy ein. Er war froh über die bevorstehende Abwechslung. Der Bericht über das morgendliche Ereignis war geschrieben und verteilt, Hinrichs BMW mit Reparaturauftrag bereits in der Werkstatt.
Auf dem Flur
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