freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
untergeschlagenen Beinen neben ihn, nachdem er ihn entgegengenommen hatte. Thor nahm noch einen Schluck und sah sie nachdenklich an.
»Hexentrunk?«
»Sie nennt es selbst so«, antwortete Elenia. »Und zumindest das meiste von dem, was sie zusammenbraut, schmeckt auch schlecht genug, um diesen Namen zu verdienen. Ich bin so froh, dass es dir besser geht … ich hatte wirklich Angst um dich. Du hattest hohes Fieber.«
Nicht nur seine pelzige Zunge und die bleierne Schwere seiner Glieder bestätigten Thor, dass sie die Wahrheit sagte, sondern vor allem die unüberhörbare Erleichterung in ihrer Stimme.
Er nippte wieder an seinem Bechr und tat so, als starre er in Gedanken versunken hinein, behielt Elenias Gesicht dabei aber verstohlen im Auge. In ihrem Blick war etwas, das nicht dort hineingehörte und das ihm nicht gefallen sollte. Aber es berührte etwas tief in ihm, vor dem er instinktiv zurückschrak.
»Habe ich im Schlaf gesprochen?«, fragte er; unbehaglich und eigentlich nur, um überhaupt etwas zu sagen.
»Oh ja«, antwortete Elenia. Plötzlich lachte sie. »Aber keine Angst. Niemand hat verstanden, was du gesagt hast.«
»Was ist daran so komisch?«, erkundigte sich Thor.
»Vielleicht, dass Mutter gesagt hast, dass du genau so reagieren würdest. Mit genau dieser Frage und diesem Blick.«
»Hat sie das?« Thor trank einen weiteren Schluck Wasser, um Zeit zu gewinnen. Elenia verwirrte ihn. Ihre Nähe war ihm fast unangenehm, und zugleich war ihre Ähnlichkeit mit Urd noch immer so groß, dass er sich in schon fast ungebührlichem Maße zu ihr hingezogen fühlte.
Aber war es wirklich nur Urd, die er in ihr sah und die er trotz allem, was geschehen war, so sehr begehrte?
»Oh ja«, antwortete Elenia mit einem neuerlichen und jetzt eindeutig spöttischen Lachen. »Obwohl ich glaube, dass sie gelogen hat.«
»Gelogen?«
Elenia nickte. »Sie hat verstanden, was du gesagt hast«, antwortete sie. »Jedenfalls glaube ich das.«
Thor ließ den Becher sinken und sah sie nun direkt an.
»Sie sagt, dass es nicht so ist, aber ich glaube ihr nicht.« Elenia erwiderte seinen Blick ruhig und schien auf eine ganz bestimmte Reaktion zu warten. Als sie nicht kam, zuckte sie nur mit den Schultern und wechselte das Thema. »Was macht deine Hand?«
»Sie schmerzt kaum noch«, antwortete Thor. Er stellte den Becher zu Boden und hob die andere Hand, um Urds Werk zu begutachten. Seine Rechte war sauber und frisch verbunden und die Finger nicht mehr zur Faust geballt. Als er sie vorsichtig zu bewegen versuchte, ging es und tat sogar weniger weh, als er erwartet hatte. »Deine Mutter hat gute Arbeit geleistet.«
»Sie verfügt über Zauberkräfte.« Elenia nickte. »Genau wie du.«
Thor starrte sie an, und für einen Monat war sie Urd, genauso unbeschreiblich schön und verlockend, so weich wie frisch gefallener Schnee, darunter aber auch so hart wie Eis. Sie tat etwas mit ihm, begriff er, und er wäre vermutlich gut damit beraten, sich davor zu fürchten.
Stattdessen bemühte er sich nur um ein möglichst ratloses Gesicht. »Wie meinst du das?«
»Ich habe gesehen, was du für Lasse getan hast«, sagte sie. Lasse . Nicht ›meinen Vater‹. »An dem Tag, an dem du uns gefunden hast, Thor. Er wäre gestorben, wenn du ihm nicht etwas von deiner Kraft gegeben hättest.«
Spätestens jetzt hätte er protestieren und darauf beharren müssen, dass sie selbst verletzt und nur halb bei Bewusstsein gewesen war und somit unmöglich gesehen haben konnte, was er tat. Aber aus irgendeinem Grund konnte er es nicht. Da war einfach zu viel von ihrer Mutter an ihr, als dass er sie belügen konnte.
»Warum hilfst du dir nicht selbst?«, fragte sie mit einer Kopfbewegung auf seine Hand.
»Weil das … nicht so einfach ist«, antwortete er zögernd und regelrecht bestürzt über ihre Frage. Tatsache war, dass ihm dieser Gedanke in all der Zeit nicht einmal gekommen war und dass ihm die Vorstellung auch jetzt einfach nur absurd erschien.
»Du kannst nur anderen helfen und nicht dir selbst«, sagte Elenia. Aber sie tat es in einem sehr seltsamen Ton, in den er zumindest einen Vorwurf hineininterpretierte; vielleicht, weil sie genau in diesem Moment wie in einer unbewussten Geste die Hand hob und die hässliche Narbe auf ihrer Wange berührte.
Er wusste, dass es ein Fehler war, aber so wenig, wie er sie gerade hatte belügen können, konnte er jetzt schweigen. »So wirkt das nicht, Elenia«, sagte er. »Ich kann Kraft spenden, und
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