freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
auch das nur in bestimmtem Maße.«
Elenia legte nur fragend den Kopf auf die Seite.
»Menschen sind unglaublich stark, Elenia«, sagte er. »In jedem von euch brennt ein Feuer. Manchmal erlischt es beim leisesten Windhauch, aber wenn man weiß, wie man es wieder anfachen kann, übersteht es sehr vieles.«
»›Euch‹?«, fragte Elenia.
Thor überging das. »Ich kann die Glut neu entfachen, Elenia«, sagte er. »Und auch das nur manchmal. Aber ich kann keine Narben verschwinden lassen. Niemand kann das.«
Diesmal war die Geste, mit der sie ihr verunstaltetes Gesicht betastete, gewiss kein Zufall mehr. Ihre Miene blieb ungerührt, aber in ihren Augen erlosch eine Hoffnung, die er erst bemerkte, als sie nicht mehr da war.
Natürlich wusste er, dass es ein Fehler war. Hätte er auch nur einen Funken Verstand besessen, hätte er in diesem Moment alles getan, außer ihr noch näher zu kommen oder sie gar zu berühren. Fast ohne sein eigenes Zutun hob er die Hand und strich über ihre vernarbte Wange, so sacht er nur konnte.
»Es tut mir leid, Elenia«, sagte er. »Glaub mir, ich würde dir helfen, wenn ich es könnte, aber ich kann es nicht. Aber du bist am Leben, und das ist das Einzige, was zählt.« Sogar in seinen eigenen Ohren klangen die Worte einfach nur billig, und er konnte sich gut vorstellen, dass sie sich in denen Elenias wie böser Hohn anhören mussten.
Trotzdem zwang sie sich nicht nur zu einem Lächeln, sondern griff nach seiner Hand und hielt sie fest, als er den Arm zurückziehen wollte. Sacht, aber mit genug Kraft, dass er schon Gewalt hätte anwenden müssen, um sich loszureißen, drückte sie seinen Handrücken gegen ihre Wange, sodass er spüren konnte, wie heiß sie war.
»Und wenn ich dir zeigen würde, wie du mir helfen kannst?«, fragte sie.
Thor legte den Kopf auf die Seite.
»Ich meine … ich könnte es wirklich«, sagte Elenia. »Es gibt einen Weg, wie du mir helfen kannst. Ich könnte dir sagen, wie.«
»Elenia bitte«, sagte Thor sanft. »Ich kann dich verstehen, besser als du glaubst. Du bist verzweifelt, und du hast dich die ganze Zeit an die Hoffnung geklammert, dass ich etwas bin, was ich niemals war. Und das, was Lif erzählt hat, muss dich darin nur noch bestärkt haben. Aber du kennst deinen Bruder. Er hat genau das gesehen, was er sehen wollte.« Er machte seine Hand nun doch mit sanfter Gewalt los und stand auf.
»Ich weiß nicht, wer oder was ich bin«, fuhr er fort. »Aber ich bin kein Gott, Elenia, nicht so, wie Lif es sich vorstellt und auch nicht, wie du es dir erhoffst. Vielleicht bin ich nicht einmal ein besonders guter Mensch. Ich kann dich nicht heilen; bitte glaub mir.«
Da sie Urds Tochter war, hätte ihn ihre Reaktion eigentlichnicht überraschen dürfen. Elenia erhob sich mit einer fließenden Bewegung, kam den längeren Weg um das Feuer herum auf ihn zu und griff abermals nach ihm; diesmal mit beiden Händen. Sie sah nicht enttäuscht aus oder gar ohne Hoffnung. Im Gegenteil. Ihre Augen leuchteten und hielten seinen Blick mit einer Kraft fest, der er nichts entgegenzusetzen hatte.
»Und wenn du es nur nicht mehr weißt?«, fragte sie. »Was wäre, wenn du es nur vergessen hast, genau wie alles andere? Und wenn ich es dir sagen könnte?«
»Wenn du ihm was sagen könntest, Elenia?«
Thor musste nur den Kopf heben, um Urd im Türbogen zu erblicken, doch Elenia fuhr so erschrocken zusammen und herum, dass sie fast das Gleichgewicht verloren hätte und ihr Rocksaum dem Feuer bedrohlich nahe kam.
»Wenn du ihm was sagen könntest?«, wiederholte Urd. Ihr Gesicht lag im Schatten der Kapuze, aber Thor konnte das zornige Blitzen ihrer Augen regelrecht spüren. »Wie man die Suppe anbrennen lässt? Ich glaube, ich hatte dich gebeten, darauf zu achten. In einem hat Thor nämlich recht, weißt du? Dein Bruder ist noch nicht halb so erwachsen, wie er glaubt. Ich möchte mich ungern darauf verlassen, dass er noch einen zweiten Hasen findet, der zu verhungert ist, um ihm noch davonlaufen zu können.«
Elenia war klug genug, nichts dazu zu sagen, sondern hatte es plötzlich sehr eilig, sich über das eiserne Gestell zu beugen und im Topf zu rühren. Urd sah ihr einen Moment reglos dabei zu, kam dann näher und schlug gleichzeitig ihre Kapuze zurück. Ihr Gesicht war rot vor Kälte, und Thor musste nicht in ihre Augen sehen, um zu wissen, dass ihr Unmut nun ein anderes Ziel gefunden hatte, auch wenn er sich keinerlei Schuld bewusst war.
»Wie ich sehe, geht es
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