freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
unterbrach ihn Urd. »Aber ich gebe dir keine Schuld daran. Sie ist meine Tochter.« Sie machte eine Kopfbewegung, als wäre das allein Erklärung genug für alles, und fügte dann hinzu: »Und du bist noch schwach und nicht annähernd so wach, wie du es dir vermutlich einredest. Und außerdem ein Mann.«
Thor fragte sich nicht nur, ob sie sich mit dieser letzten Bemerkung über ihn lustig machte oder nicht, sondern auch, welche Erklärung ihm lieber wäre, kam aber zu keiner eindeutigen Antwort. Dafür begriff er etwas anderes.
»Du weißt es, nicht wahr?«, fragte er.
»Was?«
»Alles«, antwortete Thor, während er die andere Hand ausstreckte und sie zwang, ihm ins Gesicht zu sehen. »Wer ich bin. Warum ich mich an nichts erinnere.«
Und auch, warum ich hier bin.
Urd lachte, versuchte sich loszumachen und wurde dann urplötzlich ernst, als es ihr nicht gelang. »Lass mich los!«, verlangte sie.
Das tat Thor auch, aber erst, nachdem er sie noch lange genug festgehalten hatte, um klarzumachen, dass es ganz allein seine Entscheidung war.
»Ja«, sagte sie dann. »Du hast recht. Ich weiß, wer du bist.«
»Und dein Mann wusste es auch.«
Sie nickte. »Aber nicht, warum du hier bist … oder was dir zugestoßen ist, dass du dein Gedächtnis verloren hast. Das weiß niemand.«
»Nicht der Trank der Einherjer?«
»Der Kelch der Berserker?« Die Idee schien Urd zu amüsieren. »Du bist kein Einherjer, Thor. Du bist Thor.«
»Das weiß ich, aber –« Thor stockte. »Nein.«
»Und wenn doch?«
»Das ist Unsinn.« Thor ließ sie los. Er bedauerte, sie so grob behandelt zu haben, sagte aber kein Wort der Entschuldigung. »Ich bin kein Gott!«
»Nein, gewiss nicht«, sagte Urd. »Aber vielleicht sind ja auch die Götter keine Götter.«
»Hör auf damit«, seufzte Thor. »Bitte.«
»Womit?«
»In Rätseln zu sprechen.«
»Aber wenn du ein Gott bist, dann bin ich die Gefährtin eines Gottes«, sagte Urd. »Und sprechen die Götter nicht meistens in Rätseln?«
»Urd!«
Urds Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war. »Du hast recht, das war unpassend. Verzeih. Aber es wäre nicht gut, wenn ich dir jetzt alles sagen würde.«
»Weil ich dann vielleicht etwas tun würde, was dir nicht gefällt?« Oder nicht mehr tun, was du willst?
Urd nahm die Verletzung ungerührt hin. »Du wirst dich erinnern«, sagte sie. »Und es wird nicht mehr lange dauern. Du beginnst bereits, dich zu erinnern.«
»Und wieso erinnere ich mich nicht daran, mich zu erinnern?«, fragte Thor.
Urd lächelte knapp, aber ihre Augen blieben ernst. »Und du bist wirklich noch nicht auf den Gedanken gekommen, deine Träume könnten mehr sein als bloße Träume?«, fragte sie.
»Doch.«
»Dann belass es auch dabei.« Urd hob die Hand, als er auffahren wollte. »Vielleicht hat es einen Grund, dass du dich entschieden hast, deine Vergangenheit zu vergessen, Thor. Vielleicht ist etwas geschehen, das zu schlimm war, als dass du die Erinnerung daran ertragen könntest. Du solltest dir selbst Zeit geben, um auf den richtigen Moment zu warten. Ich könnte dir sagen, wer du bist und woher du kommst, aber damit würde ich womöglich mehr Schaden als Nutzen anrichten. Dasmeiste weißt du ohnehin schon. Und alles andere wird wiederkehren.«
»Und wie lange soll ich noch warten?«
»Bis du bereit bist«, antwortete Urd ernst. »Ich täte dir keinen Gefallen, glaub mir. Es wird die Zeit kommen, zu der du selbst weißt, dass du bereit für die Wahrheit bist, und dann wirst du dich erinnern. Und ich bin sicher, dass es nicht mehr lange dauert.«
Wahrscheinlich hatte sie damit sogar recht, dachte er. Aber er wollte nicht mehr warten. Er hatte schon viel zu lange gewartet, und ebenso, wie er spürte, dass Urds Warnung nur zu berechtigt war, spürte er auch, wie wichtig es war, dass er sich erinnerte. Vielleicht hing sein Leben davon ab, dass er im richtigen Moment wusste, was er zu tun hatte und wem er vertrauen konnte. Und möglicherweise nicht nur seines.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte Urd noch einmal. Sie legte die flache Hand auf den Bauch und lächelte. »Ich bin sicher, dass du deinem Sohn sagen kannst, wer du bist, wenn er auf die Welt kommt.«
Thor setzte zu einer ärgerlichen Antwort an und sah dann ein, dass das nicht nur unpassend gewesen wäre, sondern auch im höchsten Maße ungerecht. Bei allem, was passiert war, hatte er sich bis jetzt nicht ein einziges Mal erkundigt, wie es ihr ging. Tatsächlich hatte er
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