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freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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winzigen Moment fast in Panik, als er begriff, dass auch die ehrfürchtige Stimmung verflogen war, die ihn bisher zuverlässiger geschützt hatte als der gestohlene Mantel oder die Maske vor seinem Gesicht. So geduckt, wie er es gerade noch konnte, ohne allein dadurch schon wieder aufzufallen, trat er in den Schatten einer der gemauerten Säulen und wartete mit angehaltenem Atem darauf, angesprochen zu werden – falls nicht gleich ein Schrei erklang und sich die ganze Versammlung auf ihn stürzte.
    Der Gedanke hätte ihn lächeln lassen – die Vorstellung eines vermeintlichen Gottes, der von einer Hundertschaft aufgebrachter Frauen in Stücke gerissen wurde, entbehrte nicht einer gewissen Ironie –, hätte er ihn nicht zugleich auch wieder an das tote Mädchen erinnert, das er in der Kammer versteckt hatte.
    Ein Gefühl der Bitterkeit stieg in ihm auf. All das Gerede von Göttern und Unsterblichkeit und unendlicher Macht hatte ihn nie wirklich interessiert. Seine ständigen Beteuerungen, kein Gott zu sein, fußten hauptsächlich auf der simplen Tatsache, dass er kein Gott sein wollte . Alles, was er je gewollt hatte, war, ein ganz normales Leben zu führen, doch anscheinend war ihm nicht einmal das vergönnt. Er versteckte sich hinter einer gestohlenen Maske, trug den Mantel einer Frau, die er erschlagen hatte, und bezahlte sein jämmerliches Zimmer mit Geld, das er Männern abgenommen hatte, die seinetwegen gestorben waren.
    Immerhin verzichtete das Schicksal in diesem Moment darauf, die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen, um ihm einen neuen Streich zu spielen. Niemand nahm auch nur Notiz von ihm. Jetzt, wo die Zeremonie vorüber war, schienen es die meisten Frauen sehr eilig zu haben, diesen unheimlichen Ort zu verlassen.
    Urd war durch die große Tür auf der anderen Seite verschwunden, und es fiel ihm nicht schwer, ihrer Spur zu folgen. Der Gang verzweigte sich zwar schon nach wenigen Schritten, aber nur hinter einem der gemauerten Torbögen brannte Licht. Thor blieb noch einen kurzen Moment stehen, um zu lauschen, hörte nichts Verdächtiges und lächelte dann über sich selbst, als ihm klar wurde, dass er sich schon wieder wie ein Krieger benahm, der sich in eine feindliche Festung einschlich. Kopfschüttelnd ging er weiter und fand sich nach wenigen Schritten in einem weiteren Kellergewölbe wieder, das allerdings wesentlich kleiner war und nur von einer einzelnen, schon fast heruntergebrannten Fackel erleuchtet wurde. Selbst Urd, die etwaauf doppelte Armeslänge entfernt vor ihm stand, war kaum deutlicher denn als blasser Umriss zu erkennen.
    Allerdings war das spöttische Funkeln in ihren Augen zugleich auch nicht zu übersehen. »Ich nehme an, du bist zurückgeblieben, weil du noch etwas sehr Wichtiges mit mir zu besprechen hast, Schwester?«, begrüßte sie ihn. »Ich bitte dich, nimm dieses Ding ab, Thor. Es sieht albern aus.«
    Damit hatte sie recht, aber Thor ließ trotzdem noch einen langen Moment verstreichen, bevor er die goldene Maske abnahm. »Du hast mich also erkannt.«
    »Was wäre ich für eine Frau, wenn ich meinen Mann nicht erkennen würde, ganz egal in welcher Verkleidung er auch vor mir steht?«, erwiderte Urd.
    Thor fand ihren Spott mittlerweile nicht nur unangemessen, er verletzte ihn. Vielleicht war es gar kein gutmütiger Spott, sondern Herablassung. »Darf ich denn einfach so mit Euch sprechen, ohne vorher um eine Audienz gebeten zu haben, ehrwürdige Hohepriesterin?«, fragte er mit einer übertrieben tiefen Verbeugung.
    »Das habe ich wahrscheinlich verdient«, sagte Urd nickend. »Ich danke dir trotzdem, dass du gerade nichts gesagt hast.«
    »Vielleicht war ich einfach nur zu überrascht.«
    »Und was wäre ich wohl für eine Frau, wenn ich meinen Mann nicht dann und wann einmal überraschen würde?«
    »Warum versuchst du es nicht gleich noch mal?«, fragte Thor. »Zum Beispiel mit der Wahrheit?«
    »Ja, und das habe ich wahrscheinlich auch verdient«, seufzte Urd. »Aber du hast recht, so zu reden. Komm mit. Du sollst alles erfahren.« Sie machte eine einladende Geste in die Dunkelheit hinter sich, aber sie führte die angefangene Bewegung nicht zu Ende, als sie sah, dass Thor sich nicht rührte.
    »Vielleicht habe ich ja schon genug gesehen«, sagte er.
    Ein Schatten huschte über Urds Gesicht und verschwand wieder, bevor er entscheiden konnte, ob es echte Betroffenheit oder vielleicht nur Zorn war. »Ich verstehe«, seufzte sie. »Aber vielleicht ist das, was du

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