freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
nicht, wo er ist.«
»Ihm wird nichts passieren«, antwortete er impulsiv und eindeutig, weil er wollte , dass es so war, nicht aus Überzeugung. Erst dann fiel ihm auf, dass es wieder hell war. Es gab keine Donnerschläge mehr, keinen Sturm und keine zuckenden Blitze. Sonnenlicht durchdrang den Stall, und der Himmel, in den er hochsah, war von einem geradezu unschuldigen Blau angesichts der Bluttaten, die hier stattgefunden hatten.
»Und Lasse?«
»Er ist tot«, antwortete Urd. Ihre Stimme war ausdruckslos und so flach, dass es ihren Schmerz nur deutlicher machte.
Sie trauerte tatsächlich um ihren Mann, dachte er erstaunt. Aber warum? Was um alles in der Welt hatte eine Frau wie sie an diesem schwachen alten Mann gefunden? Noch bevor er den Gedanken ganz zu Ende denken konnte, schämte er sich dafür.
»Es tut mir leid«, sagte er.
»Vielleicht war es das Beste für ihn«, murmelte Urd. Ihre Hände fuhren fort, ihm Schmerz zuzufügen, und in ihrem Gesicht zeigte sich auch jetzt nicht die mindeste Regung. »Er hätte gelebt. Aber wie?«
Er hätte mir gesagt, wer ich bin , dachte er, antwortete jedoch: »Die Götter haben entschieden.«
Urd starrte ihn mit steinernem Gesicht an, und plötzlich schämte er sich auch dieser Worte.
»Ich hätte ihn retten müssen.«
»Wofür hältst du dich?«, fragte sie. »Für Odin selbst oder Thor?« Sie lachte. »Du hast getan, was du konntest. Nimm dich nicht wichtiger, als du bist.«
»Und du?«, fragte er.
Sie versuchte, Verständnislosigkeit zu heucheln, aber natürlich vergeblich.
»Was ist dir passiert?« Er beschloss, dass jetzt nicht mehr der Moment für Takt war, zumindest nicht, solange Lif noch nicht zurück war und seine Schwester schlief, und machte eine Kopfbewegung auf ihr zerrissenes Kleid. »Haben sie dir … etwas angetan?«
»Nein«, antwortete sie, hielt für einen Moment in ihremTun inne und raffte den zerrissenen Stoff vor ihrer Brust mit der Hand zusammen.
Sie fuhr fort, sich an seinem Arm zu schaffen zu machen, doch anders als zuvor fügte sie ihm nun keine unnötigen Schmerzen mehr zu. Ganz im Gegenteil erlosch das Pochen in seinem zweifach durchstochenen Bizeps nun rasch und machte einem Gefühl wohltuender Kälte Platz. Prüfend spannte er den Muskel an und stellte fest, dass es ging; auch wenn die Schmerzen prompt zurückkamen.
»Wenn dir daran gelegen ist, dass deine Wunde möglichst langsam heilt, dann mach ruhig weiter so«, sagte Urd. »Ansonsten halt den Arm still.«
»Entschuldige.«
»Es ist dein Arm, nicht meiner«, sagte Urd. »Also entschuldige dich nicht bei mir.«
Sie hatte sein Hemd nicht zerschnitten, sondern den Ärmel nur weit genug nach oben gerollt, um einen sauberen Verband um seinen Oberarm legen zu können, und sie schien darüber hinaus auch noch etwas getan zu haben, denn solange er den Arm nicht zu heftig bewegte, tat die Wunde kaum noch weh.
»Das hast du gut gemacht«, lobte er. »Du kennst dich mit so etwas aus?«
»Mein Mann ist Schmied.« Sie verbesserte sich. »Er war Schmied. Er hat sich oft verletzt. Wenn auch nicht so.«
Er wusste nicht wirklich, was er darauf antworten sollte. Über Lasse zu sprechen erschien ihm seltsam unangemessen, fast als wäre er dem Mann irgendetwas schuldig. Vorsichtig und nur den unversehrten Arm belastend setzte er sich auf und sah zu dem Toten hin.
Urd hatte ihn so ordentlich hingelegt, als wäre er nur eingeschlafen. Die Wunde hatte sie mit seinem Mantel abgedeckt und seine Augen geschlossen. Auf seinem Gesicht lag ein sonderbar entspannter, fast schon friedlicher Ausdruck. Er sah … erleichtert aus, dachte er verblüfft.
»Es tut mir wirklich leid«, sagte er. »Ich wollte wirklich, ich wäre früher gekommen.«
»Er war schon lange krank«, sagte Urd, leise und fast wie an sich selbst gewandt. Das hatte er mit seinen Worten nicht gemeint, aber er klärte sie nicht über ihren Irrtum auf, und nach kurzem Schweigen fuhr sie fort: »Schon seit Jahren. Es ist ihm immer schwerer gefallen, den Hammer zu führen. Er hat versucht, sich nichts anmerken zu lassen, aber ich bin nicht blind.« Sie lächelte müde. »Ich glaube, er wollte durchhalten, bis Lif alt genug ist, um seine Nachfolge anzutreten. Aber bis dahin wären noch viele Jahre gewesen. Zu viele Jahre.«
Lif? Er wusste nicht genau, wie alt der Junge war – dreizehn, vielleicht vierzehn –, aber er war kein besonders kräftiger Bursche. Drahtig und zäh, ja, aber er würde nie die Statur und Muskeln eines
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