freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
hinausgegangen und sie allein waren.
»Sie haben dich also am Leben gelassen«, sagte sie schließlich, halblaut und ohne auch nur in seine Richtung zu sehen. »Immerhin.«
»Ohne Gewähr«, antwortete Thor.
Urd sah ihn nun doch an. Sie schwieg, und ihr Gesicht war so ausdruckslos und starr, dass es schon fast unheimlich war.
»Aber wenigstens scheinen sie dich gut behandelt zu haben.« Er lächelte knapp und sah sich dabei demonstrativ in der kleinen Kammer um.
Urd musterte kurz die Verbände an seinem Arm und Oberschenkel, dann etwas länger und noch immer mit vollommen unbewegtem Gesicht die roten Male, die die eisernen Fesseln auf seinen Hand- und Fußgelenken hinterlassen hatten.
»Wozu bist du gekommen?«, fragte sie ruhig. »Schickt dich Bjorn, um mir ins Gewissen zu reden?«
»So ungefähr«, antwortete er unbehaglich. Bjorn hatte alsoauch schon versucht, mit ihr zu reden … was er sich ja eigentlich hätte denken können.
»Und ich nehme an, du wirst mir jetzt sagen, dass du über das nachgedacht hast, was er dir erzählt hat, und zu dem Schluss gekommen bist, dass er recht hat«, vermutete sie.
»Und was, wenn er wirklich recht hätte?«, fragte er.
Urd machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten. Sie beherrschte sich meisterlich, aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, wie es wirklich in ihr aussah. Sie war genauso lange hier gefangen wie er, und auch wenn er sicher war, dass man sie nicht körperlich misshandelt hatte, hatte man sie gewiss verhört und auf andere Art unter Druck gesetzt.
»Wie geht es dir?«, fragte er unbeholfen. »Sie haben dir doch nichts getan, oder?«
»Nichts, was andere zuvor nicht schon schlimmer getan hätten«, antwortete sie. »Also, was sollst du mir sagen?«
»Bjorn hat mich tatsächlich geschickt«, sagte er. »Er hat einem Vorschlag für dich. Für uns.«
»Du kommst direkt zur Sache«, sagte Urd. »Das ist gut. Aber ich kenne sein Angebot, danke. Er hat es mir auch schon gemacht. Mehrmals, um genau zu sein. Und sein guter Freund Sverig hat sein Mögliches getan, mich davon zu überzeugen, dass ich es besser annehmen sollte.«
»Er hat nicht etwa –?«
»Nein«, unterbrach ihn Urd. »So tief sinkt nicht einmal er … jedenfalls noch nicht. Vielleicht weiß er auch einfach nur, wie sinnlos es wäre.«
»Ich rede nicht von Sverig«, sagte Thor. »Bjorn. Du kennst ihn, Urd. Er ist ein Mann, der sein Wort hält. Und er hat mir sein Wort gegeben, dich und die Kinder am Leben zu lassen, wenn du ihm alles sagst, was du über den bevorstehenden Angriff weißt.«
»Bjorn ist ein Dummkopf«, sagte Urd. »Er wird der zweite sein, der brennt. Gleich nach Sverig. Vielleicht auch zusammen mit ihm.«
Thor machte einen Schritt in ihre Richtung und blieb sofortwieder stehen, als sie sich unmerklich versteifte – vielleicht nicht einmal körperlich, aber er konnte beinahe sehen, wie die unsichtbare Mauer zwischen ihnen noch einmal höher wurde. Er hatte nicht erwartet, dass sie ihm überglücklich um den Hals fallen würde, aber da war eine … Feindseligkeit, die er trotz allem nicht verstand.
»Sie werden uns töten, wenn wir ihnen nicht sagen, was sie wissen wollen«, sagte er.
»Möglicherweise«, antwortete Urd. »Ja, wahrscheinlich. Und?«
»Es scheint dir nicht viel auszumachen.«
»Alles kommt genau so, wie die Götter es für uns vorausbestimmt haben«, erwiderte sie spöttisch. »Das solltest du doch wissen.«
»Auch für deine Kinder?«
Urd antwortete auch darauf nicht sofort, aber nun hatte sie sich nicht mehr ganz so vollkommen unter Kontrolle wie bisher. »Du sorgst dich um deine Tochter?« Der Blick in ihren Augen … änderte sich. Er war jetzt härter, angespannter, vielleicht hatte er auch etwas Lauerndes, das schwer zu deuten war. »Ich nehme an, das ist auch der Grund, aus dem du sie mir wegnehmen wolltest.«
Das also war es? »Ich wollte dir Lifthrasil nicht wegnehmen«, sagte er ruhig. »Ich habe dir gesagt, dass ich gehe. Du hättest mitgehen können. Was hast du erwartet? Ich liebe meine Tochter. Vielleicht mehr, als gut ist, aber ich liebe sie.«
Wenn Urd begriff, was er damit sagen wollte, dann überspielte sie es meisterlich. »Du hast wirklich geglaubt, es wäre so einfach?«, fragte sie. »Das kann ich nicht glauben. Wenn es so war, dann wärst du dumm. Und das bist du nicht. Vieles vielleicht, aber nicht dumm.«
Offensichtlich wollte sie ihn verletzen, aber das ließ er nicht zu. »Was ist geschehen?«, fragte
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