freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
wandte er sich an Bjorn. »Bringt diese Hexe her! Ich bin sicher, dass sich seine Zunge löst, wenn ich ihr die ihre vor seinen Augen herausschneide!«
Bjorn wollte vermutlich etwas sagen, um ihn zu besänftigen, aber Thor kam ihm zuvor. »Das würdest du nicht überleben«, sagte er ruhig.
»Bitte!«, sagte Bjorn zum wiederholten Male, während er besänftigend beide Hände hob. Sogar diese kleine Bewegung wirkte, als hingen unsichtbare Gewichte an seinen Armen. »Ich kann dich verstehen, Fargas. Aber hier steht mehr auf dem Spiel als nur ein Leben. Du wirst dich beherrschen, oder ich muss Sverig bitten, dich hinauszubegleiten.«
Fargas’ Augen wurden schmal, und auch noch das allerletzte bisschen Farbe wich aus seinem Gesicht. »Du vergisst, wer ich bin«, sagte er.
»Keineswegs«, erwiderte Bjorn. »Aber mein Heer steht nur wenige Tagesritte von hier. Wenn ich ihm die falschen Befehle gebe, dann sterben Hunderte von Männern.«
»Und du wirst ihm die richtigen geben, wenn du mit diesem … Mörder geredet hast?«, stieß Fargas hervor. »Mach dich nicht lächerlich!«
Bjorn schwieg eine geraume Weile, dann seufzte er und hob mit einer unendlich müde wirkenden Bewegung die Hand. »Sverig.«
»Das wagst du nicht!«, keuchte Fargas. Bjorn schwieg, aber Sverig schob die Axt in die Schlaufe auf seinem Rücken und zog Fargas scheinbar sanft, aber zugleich auch mit unerbittlicher Kraft in die Höhe. Ohne auf die immer hysterischer werdenden Proteste des Jarls zu achten, bugsierte er ihn einfach aus dem Raum und zog die Tür hinter sich zu. Erst nach einigen Augenblicken fiel Thor überhaupt auf, dass auch er gegangen war. Bjorn und er waren jetzt allein.
»Du musst Fargas verstehen«, sagte Bjorn. »Er ist … sehr zornig. Du weißt, wer er ist?«
»Der Jarl von Oesengard.«
»Ja.« Bjorn nickte, Sein Blick ließ Thor nicht los. »Und Sigislinds Mann.«
Er musste Thor ansehen, dass diese Eröffnung ihn nicht überraschte. Trotzdem fuhr er fort: »Er glaubt, du hättest seine Frau getötet. Willst du es ihm verübeln, dass er dich hasst?«
»Nein«, antwortete Thor einfach.
»Und?«, fragte Bjorn.
»Was – und?«
»Hast du es?«
»Was?«
»Hast du Sigislind getötet?«
»Ich dachte, darüber hätten wir schon gesprochen«, antwortete Thor.
»Ja, das haben wir«, bestätigte Bjorn. »Aber ich habe nachgedacht. Über vieles. Auch über unser Gespräch. Und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu der Überlegung, dass so manches nicht zusammenpasst. Bist du wirklich sicher, dass du sie getötet hast?«
»Ich weiß nicht, wofür du mich hältst«, erwiderte Thor kühl, »aber so viele waren es noch nicht, dass ich mich nicht mehr an die Menschen erinnere, die ich getötet habe.« Das war eine Lüge. Es waren zu viele, so unendlich viele. Die wenigsten hatte er mit Namen gekannt, und die Gesichter der Erschlagenen hatten längst aufgehört, ihn selbst in seinen Träumen zu verfolgen. Er hatte ganze Völker mit einer einzigen Bewegung seiner Hand ausgelöscht.
»Du weißt, was es bedeutet, wenn du dabei bleibst«, sagte Bjorn. »Fargas verlangt dein Leben, und es gibt nichts, was mir das Recht gäbe, ihm diesen Wunsch abzuschlagen. So ist unser Gesetz. Ein Leben für ein Leben.«
»Dann muss es wohl so sein«, sagte Thor.
Bjorn schüttelte traurig den Kopf. »Was du tust, ehrt dich, Thor, aber es ist auch dumm. Willst du nicht verstehen, worum es hier geht? Nicht um dein Leben oder das deiner Frau. Wir reden über die Frage, ob die Welt brennen wird oder nicht. Und was aus ihrer Asche entsteht. Wenn du wirklich das bist, wofür ich dich halte –«
»Dann bist du entweder sehr mutig oder sehr dumm«, unterbrach ihn Thor. »Hast du denn gar keine Angst, ganz allein mit mir zu bleiben? Ich könnte dich töten.«
»Und das wahrscheinlich selbst in deinem Zustand und ohne dich anzustrengen«, sagte Bjorn. Seltsamerweise lächelte er bei diesen Worten. »Ich weiß, was du bist, Thor. Ich habe es gesehen, in jener Nacht am Hafen, und viele andere auch. Vielleicht bist du wirklich ein Gott, vielleicht auch nur ein Mensch mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Es spielt keine Rolle, was du bist.«
»Was dann?«
»Was du tust«, antwortete Bjorn. »Wenn du mich wirklich töten wolltest, dann gäbe es wahrscheinlich wenig, was ich dagegen tun könnte, ob nun Sverig mit seiner Axt bei mir ist oder ein Dutzend Krieger. Das Schiff, das euch aufgebracht hat … duhättest es zerstören und
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