freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
mir?«
»Immerhin sind sie tot«, erinnerte Loki.
»Ich verstehe«, sagte Thor. »Du willst mir nichts sagen, sondern mich nur weiter verwirren.«
»Ich weiß, dass es dir jetzt so vorkommen muss«, antwortete Loki. »Aber wie soll ich dir ein ganzes Leben erklären, in wenigen Augenblicken?« Er lachte, aber es klang bitter. »Du hast mich gefragt, ob das Naglfar mein Schiff ist. Wenn man es genau nimmt, war es deines, Bruder.«
Das Brüllen des Sturmes war so laut geworden, dass es tatsächlich in den Ohren schmerzte. Er hatte das Bewusstsein verloren, als er gegen die Reling geprallt und über Bord gefallen war, aber die Eiseskälte des Wassers weckte ihn wieder auf, und wozu sein Wille nicht mehr imstande war, das übernahmen seine Reflexe. Mit einer einzigen, kraftvollen Bewegung kam er wieder an die Oberfläche zurück und schnappte verzweifelt nach Luft, und etwas Riesiges und Schuppiges bäumte sich über ihm auf …
»Meines?« Er versuchte die Bilder festzuhalten, aber es gelang ihm nicht. Ein leiser Geschmack wie nach Salzwasser auf seiner Zunge war alles, was zurückblieb.
»Du warst nicht sein Kapitän, wenn du das meinst«, erwiderte Loki. »Aber du kennst ihn.«
»Ich kenne keinen –«, begann Thor, runzelte die Stirn und fragte dann: »Barend?«
»Barend«, bestätigte Loki. »Er ist ein guter Mann und der treueste Freund, den man sich nur wünschen kann. Es war seine Entscheidung, ganz allein und mit einem Schiff hierherzukommen, auf das ich nicht einmal einen Fuß gesetzt hätte, um nach dir zu suchen. Alle waren dagegen, ich gebe es zu, sogar ich selbst. Aber er war nicht davon abzubringen.«
»Barend?«, vergewisserte sich Thor noch einmal. Soweit er es beurteilen konnte, sagte Loki die Wahrheit – aber warum erinnerte er sich dann nicht an diesen Mann, wenn er doch angeblich ein so guter Freund gewesen war?
»Was ist passiert?«, fragte er.
»Wo soll ich anfangen?«, seufzte Loki.
»Vielleicht damit, wer ich bin?«
»Ein König.«
»Ich dachte, ich wäre ein Gott.«
»Auch das.« Loki blieb vollkommen ernst. »Und ein Krieger, ein Heerführer, ein Prophet und so vieles mehr. Such dir etwas aus, das Richtige wird schon dabei sein.«
»Ein einfacher Jäger, der einmal eine Familie und ein eigenes Leben hatte?«, schlug Thor vor.
»Und jetzt klingst du so bitter, als wäre es meine Schuld«, sagte Loki. »Ich war einmal ein einfacher Bauer, Thor. Ein dummer Bauer, um ehrlich zu sein. Ich konnte nicht lesen und nicht schreiben, und alles, was jenseits unserer Felder lag, war für mich so fremd, dass es mir Angst gemacht hat.«
»Aber du hattest eine Familie.« Thor erinnerte sich. »Zwei Kinder.«
»Und eine Frau«, bestätigte Loki, scheinbar vollkommen ungerührt. Sein Blick irrte für einen winzigen Moment zu Urd hin. »Eine sehr schöne Frau. Ich habe sie geliebt.«
»Und es macht dir nichts aus, dass sie dir weggenommen wurden?«, fragte Thor.
»Weggenommen?« Loki schien über das Wort nachdenken zu müssen. Ein dünnes Lächeln erschien auf seinen Lippen und verschwand wieder. »Eine interessante Wortwahl … aber wenn man es genau nimmt, dann war es eher anders herum. Ich wurde ihnen weggenommen.« Er nippte wieder an seinem Wein und lehnte sich bequemer in seinem Stuhl zurück, als bereite er sich auf eine längere Erzählung vor.
»Unser Ochse war weggelaufen. Ich wusste, dass es gefährlich war, nach ihm zu suchen, aber es war unser einziger Ochse, und ohne ihn hätten wir im darauffolgenden Winter wohl hungern müssen … noch mehr als ohnehin, meine ich. Der Winter war härter gewesen als der vorige, und der wiederum kälter als der davor und so weiter … kommt dir das bekannt vor?«
Aus seinen Träumen, ja. Und von Bjorn. Thor nickte.
»Ich war damals viel zu dumm, um zu begreifen, was es bedeutete, aber ich wusste sehr wohl, was der Verlust des Tieres für uns bedeutet hätte. Also bin ich hinausgegangen, um nach dem Ochsen zu suchen.«
»Und was ist dann passiert?«, fragte Thor, als Loki nicht weitersprach.
»Ich bin gestorben«, antwortete Loki. »Jedenfalls beinahe. Ich bin einen Hang hinuntergefallen und habe mir das Kreuz gebrochen. Es war kalt, und ich lag halb im Wasser. Ich wäre noch in derselben Nacht gestorben, wenn er nicht gekommen wäre.«
»Der Dämon.«
»Warum nennst du ihn so?«, wollte Loki wissen. Er klang überrascht, fast ein wenig gekränkt, als hätte Thor ihn angegriffen und nicht den Unsichtbaren.
»Weil er es ist«,
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