freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Riesen, der vorgab, sein Bruder zu sein. Und dennoch …
Elenia hatte die Wahrheit gesagt, dachte er voller Bitterkeit. Er liebte dieses Kind und würde es ohne zu zögern mit seinem eigenen Leben beschützen, wenn es notwendig war, aber die schon fast absurde Vernarrtheit, die jeden einzelnen seiner Gedanken beherrscht hatte, war nicht mehr da. Elenia hatte die Wahrheit gesagt. Was er für Liebe gehalten hatte, war nur ein Zauber gewesen, der aus Urds Kräutersäckchen kam. Was übrigblieb, das war immer noch genug Liebe für sein Kind, aber er sollte trotzdem zornig werden oder doch wenigstens ärgerlich. Nichts von alledem geschah.
»Es ist gut, Gundri«, sagte Urd. »Du kannst jetzt gehen. Du hast dich sehr gut um sie gekümmert, hab vielen Dank.« Sie streckte die Arme aus. »Gibst du sie mir?«
Es dauerte einen Moment, bis Thor überhaupt begriff, dass die letzten Worte ihm galten. Er sah sie trotzdem nur verständnislos an.
»Nur keine Sorge«, fuhr Urd fort. »Ich will sie dir nicht wegnehmen. Es ist Zeit, sie zu füttern, das ist alles.«
Sie musste ihre auffordernde Geste noch einmal wiederholen, aber dann legte Thor ihr das Kind fast hastig in die Arme, und sie wandte sich um und nahm auf einem Stuhl am Kamin Platz. Gundri zögerte noch einen letzten Moment, bevor sie ging, und der Blick, mit dem sie das Kind – und vor allem Urd – dabei bedachte, war sonderbar. Was sie sah, schien ihr nicht zu gefallen.
Loki winkte ihm zu, sich wieder zu setzen, und Urd rückte das Kind in ihrer linken Armbeuge zurecht und begann mit der anderen Hand die Schnüre ihres Kleides zu lösen. Als sie Lifthrasil an die Brust legte, wachte das Kind auf und begann augenblicklich zu trinken. Thor sah zuerst überrascht, dann irritiert zu Loki hin. Auch der blonde Riese sah Urd ganz ungeniert zu, und das auf eine Weise, die Thor verwirrte. Als sähe er so etwas nicht zum ersten Mal. Nein. Thor verbesserte sich in Gedanken: als sähe er sie so nicht zum ersten Mal.
»Du musst sehr stolz sein«, sagte Loki plötzlich, nun wieder an ihn gewandt.
Thor war nicht ganz sicher, was er damit meinte, aber er antwortete trotzdem. »Gibt es etwas Schöneres, als ein Kind zu haben?«
Urd sah kurz in seine Richtung und lächelte, aber in ihren Augen war immer noch ein Funke von Dunkelheit, der vielleicht nie wieder daraus verschwinden würde.
Er sah rasch wieder zu Loki hin. »Hast du Kinder?«
»Ich hatte zwei«, erwiderte Loki, und auch über sein Gesicht huschte ein Schatten, verschwand aber auch sofort wieder, als er sich zu einem Lächeln zwang. Zugleich machte er eine Geste auf Becher und Krug auf dem Tisch. Thor schüttelte den Kopf, und Loki schenkte nur sich selbst nach, obwohl er bisher kaum an seinem Wein genippt hatte. Versuchte er Zeit zu gewinnen?
»Was euch zugestoßen ist, ist entsetzlich«, begann er schließlich. »Ich habe es bisher versäumt, euch mein Beileid zu bekunden. Euch beiden.«
»Sie haben ihr Leben für eine gute Sache gegeben«, sagte Urd. »Und in der nächsten Welt ist ihnen der Lohn dafür gewiss.«
Das klang wie etwas Eingeübtes, eine leere Phrase, die keinerlei Trost enthielt. Vielleicht war es ihre Art, mit dem Schmerz fertigzuwerden, der sie sonst überwältigt hätte.
»Ja, so wird es wohl sein«, seufzte Loki. Er gewann noch einmal Zeit damit, an seinem Pokal zu nippen, und stellte ihn dann mit einer gezierten Bewegung auf den Tisch zurück. »Und wenn nicht, dann werden wir dafür sorgen, dass ihre Namen niemals vergessen werden.«
»Wir?«, fragte Thor.
»Du hast gesagt, dass dich das Naglfar an etwas erinnert.«
»Nicht an viel«, antwortete Thor unbehaglich. »Ein Sturm. Kälte.« Angst.
»Das ist bedauerlich«, seufzte Loki, »aber nun, wo ich hier bin, kann ich alle deine Fragen beantworten … oder dir sagen, welche Fragen du stellen solltest.«
»Vielleicht die, die ich schon gestellt habe«, antwortete Thor spröde. Und im Moment die einzige, die ihn wirklich interessierte. »Warum haben deine Männer und du versucht, mich zu töten?«
»Und ich habe sie bereits beantwortet«, sagte Loki geduldig. »Niemand wollte dich töten. Wir waren dort, um nach dir zu suchen. Wir wollten dich zurückholen.«
»In wie vielen Stücken?«
Loki lächelte nicht. »Die Dinge sind … aus dem Ruder gelaufen«, sagte er. »Vielleicht waren die Männer übereifrig.Dinge sind geschehen, auf die sie so wenig Einfluss hatten wie ich. Und sie hatten Angst vor dir.«
»Vor
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