freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
ihnen vielleicht auch Schmähworte zurief – er verstand kaum etwas von dem, was sie sagten –, bis einer ihrer Begleiter mit Steinen nach ihnen zu werfen begann. Er tat es nicht mit der Absicht zu treffen und traf auch nicht, verscheuchte die johlende Eskorte damit aber.
Ihr Ziel war nicht das Dorf, sondern der finstere Steinbau am Ende des Tals. Es war eine Festung, wie er angenommen hatte, nicht besonders groß, aber wie alles hier nach taktischen Gesichtspunkten äußerst klug angelegt. Ein einzelner Turm bot einen guten Überblick über das gesamte Tal, und das schmale Tor in der zinnengekrönten Mauer machte einen durchaus stabilen Eindruck. Wenn das Bjorns Hauptquartier war, dann war er ein Mann, der wusste, was er tat.
»Ihr wartet hier«, beschied ihnen Sverig. Was meinte er denn, wohin sie gehen würden? »Was ist mit dem Mädchen auf dem Wagen? Ist es krank?«
»Sie hat sich verletzt«, antwortete Thor. »Es ist nicht lebensgefährlich, aber sie braucht noch Ruhe, um zu Kräften zu kommen.«
»Es ist doch nicht etwa ansteckend?«
Eine Verletzung? Thor machte sich nicht einmal die Mühe, zuantworten, aber Urd wiederholte seufzend: »Sie braucht nur Ruhe, das ist alles.«
»Die wird sie bekommen«, sagte Sverig, und es war seltsam – auch dabei hatte er ein sehr ungutes Gefühl.
Und auch damit sollte er recht behalten.
»Wie es aussieht, hast du die Wahrheit gesagt, Thor«, sagte Bjorn, als er ihn fünf Tage später zu sich bringen ließ. »Ich muss mich bei dir entschuldigen, mein Freund. Ich war länger fort, als ich dir versprochen hatte.«
»Länger?« Seine Lippen und sein Gaumen waren so trocken, dass er Mühe hatte, schon dieses eine Wort auszusprechen. Sie hatten ihm zwar zu essen und zu trinken gegeben, von beidem aber zu wenig und vor allem zu wenig Wasser.
Bjorn runzelte die Stirn, stand dann mit einem Ruck auf und kam mit einem Krug und zwei reich verzierten Bechern aus Silber zurück. Er goss beide randvoll, trank aber selbst nicht, sondern sah nur zu, wie Thor seinen Becher mit einem gierigen Zug leerte. Fragend hob er den Krug und schenkte ihm nach und dann auch noch ein drittes Mal. Der Krug enthielt weder Wasser noch süßen Met, sondern Wein, und er konnte sich gut vorstellen, dass Bjorn nichts dagegen hätte, ihn betrunken zu machen. Aber etwas sagte ihm auch, dass das zwar möglich, aber sehr, sehr schwer war und mit einem einzigen Krug Wein schon gar nicht.
»Ich hoffe doch, man hat dich gut behandelt.« Bjorn nahm wieder Platz, nippte nun doch an seinem Wein und schob ihm den Krug über den Tisch hinweg zu. »Ich habe Sverig eingeschärft, dich wie einen Gast zu behandeln, aber ich fürchte, manchmal ist er etwas übereifrig.«
Wie einen Gast? Thor sah ihn nur mit hochgezogenen Brauen an und nahm einen weiteren, jetzt aber vorsichtigeren Schluck Wein. Nachdem sein allererster Durst gestillt war, bemerkte er den leicht öligen Nachgeschmack, den das Getränk auf seiner Zunge hinterließ; und mit leisem Erstaunen das leichte Schwindelgefühl, das sich hinter seiner Stirn breitmachte. Vielleicht war er doch nicht ganz so trinkfest, wie er angenommen hatte.
»Ein Gast?« Diesmal sagte er es laut, auch um Bjorns Reaktion zu prüfen. Wenn das, was er in den endlosen Stunden seit ihrer Ankunft hier erlebt hatte, tatsächlich das war, was man hier unter dem Wort Gastfreundschaft verstand, dann war er sehr froh, nicht wie ein Feind behandelt worden zu sein.
Bjorn seufzte. »Ja, ich sehe schon, er hat es übertrieben. Ich muss mich in seinem Namen bei dir entschuldigen. Und ich werde ein paar entsprechende Worte mit ihm wechseln, verlass dich darauf.«
»Das ist nicht nötig«, antwortete Thor.
Seine Stimme klang immer noch rau, und er trank einen weiteren Schluck Wein. »Ich bin sicher, dass er seine Gründe hatte. Ihr müsst hier sehr vorsichtig sein, wem ihr vertraut, nehme ich an.« Außerdem wollte er sich den Mann nicht noch mehr zum Feind machen, als es ohnehin der Fall war.
Bjorn lachte, trank nun doch einen großen Schluck Wein und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Immer vorsichtig, mein junger Freund, wie? Wie gut, dass du es draußen auf dem Hof nicht warst.«
Diesmal trank er von seinem Wein, um Zeit zu gewinnen. Aber in diesem Spiel war er Bjorn eindeutig unterlegen. Nach einer Weile fragte er: »Wieso?«
»Die Toten«, antwortete Bjorn.
»Ihr habt sie gefunden?«
Bjorn hob die Schultern. »Die Raben waren fleißig, aber ja, wir haben noch
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