freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Tag über kein Wind geweht hatte.
»Wo sind wir hier?«, fragte er, als Sverig schließlich absaß und auch seinen Begleitern und Urd ein Zeichen gab, von ihren Pferden zu steigen.
»Das ist der Eingang zu unserem Tal«, antwortete Sverig. »Er ist gut verborgen, und er wird gut bewacht, auch wenn es vielleicht nicht so aussieht.«
Thor hatte längst gemerkt, dass sie nicht mehr allein waren. Auch wenn weder etwas zu sehen noch zu hören war,spürte er den Blick unsichtbarer Augen, der jeder ihrer Bewegungen misstrauisch folgte, und er verstand auch Sverigs Warnung.
Er musste das Zaumzeug loslassen und genau wie Urd vor dem Wagen hergehen, denn der Felsspalt war tatsächlich so schmal, dass neben dem Karren kein Platz mehr gewesen wäre. Sehr weit vor ihnen markierte ein schmaler senkrechter Streifen von mattem Tageslicht nicht nur das Ende des Spaltes, sondern zeigte auch, dass dieser vollkommen gerade durch den Fels führte. Nur hier und da entdeckte er Spuren von Werkzeugen, wo die Felswand oder der Boden im Nachhinein geglättet worden waren, zum allergrößten Teil schien dieser Durchlass jedoch natürlichen Ursprungs zu sein; ein von der Natur geschaffener Engpass, den ein einziger entschlossener Mann gegen eine ganze Armee verteidigen konnte.
Da waren sie schon wieder, die Gedanken eines Kriegers, der nur in Kategorien von Verteidigung und Strategie dachte. Er war jetzt fast sicher, ein Krieger zu sein, und wenn nicht das, so doch jemand, der so lange mit und unter ihnen gelebt hatte, dass es kaum noch einen Unterschied machte.
Sverig maß ihn mit einem Blick, als hätte er seine Gedanken gelesen, und schwang seine zweischneidige Axt in einer wie zufällig wirkenden Bewegung von der rechten auf die linke Schulter.
»Was ist hinter diesem Spalt?«, fragte er.
»Warum wartest du es nicht einfach ab, Thor?«, fragte der Krieger unfreundlich. »Vielleicht erlebst du ja eine Überraschung.«
Er verzichtete darauf, etwas zu sagen; zum einen, weil Sverig vollkommen recht hatte, zum anderen, weil er spürte, dass er ihn zu einer Unbedachtsamkeit provozieren wollte. Ganz offensichtlich war er mit Bjorns Entschluss, sie hierherzubringen, nicht einverstanden. Vielleicht war er auch einfach nur ein streitsüchtiger Mann.
Allerdings sollte er recht behalten: Er erlebte eine Überraschung, als sie das Ende des Spalts erreichten und die Wändevor ihnen zur Seite wichen. Vor ihnen lag ein ovaler, sanft abfallender Talkessel, der groß genug war, um nicht nur einem ganzen Dorf Platz zu bieten, sondern auch mehreren Gehöften samt umliegender, verschneiter Flächen, die im Sommer als Weiden oder auch Felder dienen mochten, einem kleinen Wäldchen, dessen Wipfel sogar noch schneefrei waren und sich ihren Blicken in unpassendem Grün präsentierten, sowie einem in zahllosen Kehren und Windungen mäandernden Fluss, der nur zum Teil zugefroren war. Ganz am anderen Ende des Tals, beinahe schon im Dunst der Entfernung verschwunden, erhob sich etwas, das vielleicht eine Festung war, auf jeden Fall aber ein sehr großes Gebäude.
»Erstaunlich«, sagte Urd. Sie hatten angehalten, um den fantastischen Anblick für einen Moment zu genießen, und ihre Begleiter schienen nichts dagegen zu haben.
Im nächsten Augenblick wurde ihm auch schon klar, warum das so war, denn von rechts und links näherten sich ihnen weitere Bewaffnete.
»Das muss Asgard sein!« Lif kletterte aufgeregt hinter ihnen vom Wagen. Seine Augen leuchteten. »Wir haben es geschafft! Vater hatte recht!«
»Sei still, Lif!«, sagte seine Mutter streng. »Wolltest du dich nicht um deine Schwester kümmern?«
»Sie schläft«, antwortete Lif verstockt, strahlte aber gleich darauf schon wieder übers ganze Gesicht und fuhr in noch aufgeregterem Ton fort: »Das ist Asgard! Ganz bestimmt! So wie es Vater erzählt hat!«
»Was hat dein Vater denn erzählt, mein Junge?«, fragte Sverig.
»Dass wir den Weg über die Berge finden werden«, antwortete Lif aufgeregt. »Nach Asgard, ins Land der Götter!«
Asgard? Das Wort berührte etwas in ihm, aber nicht auf die Art, die er sich gewünscht hätte. Da war ein vager Schmerz und das Wissen, dass der Junge ganz bestimmt nicht dorthin wollte.
»Asgard?« Sverig nickte. »Beinahe, mein Junge. Das ist Midgard, unsere Heimat. Es ist vielleicht nicht das Land der Götter, aber hier lebt es sich ganz gut.«
Die Worte galten Lif, aber er sah dabei unverwandt Thor an, so als erwarte er eine ganz bestimmte Reaktion. Seine
Weitere Kostenlose Bücher