freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Hand aus dem Wasser, wie um sie auch ganz körperlich zurückzuhalten. Die andere blieb, wo sie war. Das warme Wasser tat seinem Handgelenk wohl.
»Wie geht es dir?«, fragte er. »Ich meine: Hast du dich … einigermaßen erholt?«
Das klang sogar in seinen eigenen Ohren linkisch, und er fragte sich, warum er eigentlich so seltsam reagierte. Er war kein Kind mehr, und Urd war auch nicht die erste Frau, mit der er mehr getan hatte, als ihre Hand zu halten – auch wenn es für ihn ein bisschen so war, denn an die anderen erinnerte er sich ja nicht.
Vielleicht war es Urd. Elenia war nicht nur ihre Tochter, sie sah auch aus wie ihre um zwanzig Jahre jüngere Zwillingsschwester, und obwohl er nicht einmal etwas Verfängliches gedacht – geschweige denn getan – hatte, fühlte er sich doch ganz genauso.
»Es geht schon wieder viel besser, Herr«, antwortete Elenia, sah ihm einen halben Atemzug lang nun doch in die Augen und senkte dann nicht nur hastig den Blick, sondern hob auch die Hand ans Gesicht, wie um die Narbe zu verbergen.
»Thor«, sagte er automatisch. »Nicht ›Herr‹.«
»Thor«, wiederholte sie gehorsam.
Thor musste sich beherrschen. Selbst Elenias Stimme klang wie die ihrer Mutter, zwar deutlich jünger, aber ganz und gar nicht wie die eines Kindes.
»Und was –?«, begann er, verlor nun endgültig den Faden und hätte wahrscheinlich im nächsten Moment angefangen, wie ein verlegener Junge herumzustottern, wäre nicht erneut die Tür aufgegangen und Urd wäre hereingekommen.
Im ersten Augenblick wirkte sie einfach nur überrascht, dann verwirrt und schließlich auf eine Art bestürzt, die der Situation wenig angemessen schien. Etwas war plötzlich in ihren Augen, das Thor peinlich berührte, obwohl er nicht einmal genau sagen konnte, warum.
»Was tust du hier?«, fragte sie in scharfem Ton, an Elenia gewandt.
»Ich …«, begann das Mädchen stockend, und Thor fühltesich aus irgendeinem Grund dazu verpflichtet, ihr beizuspringen:
»Sie hat mir saubere Kleider gebracht.«
»Ja, das hat sie wohl«, sagte Urd kühl. Sie maß den Kleiderstapel mit einem langen, stirnrunzelnden Blick, und noch bevor sie fertig war, floh ihre Tochter regelrecht aus dem Zimmer.
Nicht eine Spur weniger feindselig wandte sich Urd zu ihm um. »Findest du es angemessen, so mit meiner Tochter zu reden?«
Er verstand nicht genau, was sie mit ›so‹ meinte. »Aber du hast sie hergeschickt!« Thor hasste sich beinahe selbst dafür, aber seine Stimme klang nun tatsächlich wie die eines Jungen, der von seiner Mutter bei einer Missetat erwischt worden war.
»Sie sollte die Kleider herauf–« Urd sprach nicht weiter, sondern drehte sich noch einmal halb um und sah stirnrunzelnd und sehr beredt in die Richtung, in die ihre Tochter verschwunden war. Stimmen drangen aus dem Erdgeschoss, ohne dass er die Worte verstehen konnte, aber sie klangen aufgeregt. Vielleicht ein Streit.
»Ja, das habe ich«, seufzte sie endlich. »Verzeih. Ich …« Sie gab sich einen Ruck. »Das Essen ist gleich fertig, und Bjorn ist vermutlich schon auf dem Weg hierher. Aber ich würde gern zuvor noch mit dir reden.«
»Du hast ihm Bescheid gegeben?«
»Das war nicht mehr notwendig«, antwortete Urd lächelnd, aber trotzdem in missmutigem Ton. »Das ganze Dorf weiß es schon, nehme ich an. Lif.«
»Lif?«
»Er konnte es gar nicht abwarten, jedem zu erzählen, dass du aufgewacht bist.« Urd hob die Schultern. »Er ist ein Junge.«
»Und Bjorn und –?«
»Lass uns beim Essen über alles reden«, fiel ihm Urd ins Wort. »Es gibt eine Menge Neues. Aber jetzt beeil dich.«
Damit verschwand sie, noch bevor er auch nur die Gelegenheit fand, auch nur eine der tausend Fragen zu stellen, die ihm auf der Zunge lagen, und Thor sah ihr im gleichen Maße verwirrt wie nun eindeutig alarmiert nach. Er blieb nur noch wenige Augenblicke in dem Wasser sitzen, das mittlerweile schon fast unangenehm warm zu werden begann, stieg dann umständlich hinaus und löschte das Feuer, das darunter brannte, bevor er sich abtrocknete und die frischen Kleider anzog, die Elenia ihm gebracht hatte. Dann verließ er das improvisierte Bad.
Schon die erste Stufe, auf die er seinen Fuß setzte, knarrte hörbar unter seinem Gewicht, und die Stimmen aus dem unteren Geschoss brachen wie abgeschnitten ab. Rasche Schritte erklangen, dann fiel eine Tür, und als er die Treppe weit genug hinuntergegangen war, um den großen Raum einzusehen, war Urd allein. Der große
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