freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Tisch vor dem Kamin war für mehrere Gäste gedeckt, und ein so köstlicher Bratenduft hing in der Luft, dass Hunger wie eine heiße Flamme in seinem Leib erwachte und sein Magen so laut knurrte, dass es ihm schon beinahe peinlich war.
»Das Essen ist gleich fertig«, empfing ihn Urd. »Es wird zwar sicher noch eine Weile dauern, bis unsere Gäste da sind, aber sie werden Verständnis haben, wenn du schon vorher anfängst.«
Thor sagte gar nichts dazu, sondern blickte zur Tür und zog nur fragend die Augenbrauen hoch.
»Elenia«, sagte sie.
»Was ist mit ihr?«
»Sie ist ein Mädchen, das gerade zur Frau wird und noch nicht so richtig begreift, wie ihr geschieht«, antwortete Urd. »Das ist mit ihr. Und sie beginnt wohl allmählich zu verstehen, was ihr wirklich zugestoßen ist … und was es bedeutet. Sie ist schwierig – was hast du erwartet?«
»Sagtest du nicht, dass sie nicht redet?«
»Du hast keine Kinder, nehme ich an«, sagte Urd. »Sonst wüsstest du, dass sie nicht unbedingt reden müssen, um ihren Müttern das Leben schwer zu machen.« Sie seufzte übertrieben.
»Wo sind Hensvig und Sveldje?«, fragte er.
Urd schwieg. Sie wich seinem Blick aus.
»Wo sind sie, Urd?«, fragte Thor. Er hatte plötzlich ein seltsames Gefühl. »Wieso habe ich in ihrem Bett gelegen?«
Urd antwortete auch jetzt nicht gleich, sondern starrte noch einen Moment betreten zu Boden, dann sagte sie leise: »Hensvig ist tot.«
»Tot?« Thor riss die Augen auf. »Hensvig?«
»Und Sventje auch«, antwortete Urd, noch immer, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen. »Ich hätte es dir eher sagen sollen, ich weiß. Aber ich habe … den richtigen Moment verpasst. Es tut mir leid.«
»Tot?«, murmelte Thor verstört. »Beide? Aber was ist passiert? Gab es einen Unfall? Ist das Dorf angegriffen worden?«
Die Erkenntnis erschütterte ihn so sehr, dass er sich einen Stuhl heranzog und sich setzte.
»Nein.« Urd schüttelte traurig den Kopf und hob gleichzeitig die Hand, wie um nach ihm zu greifen, führte die Bewegung aber dann nicht zu Ende, sondern nahm ebenfalls auf einem der niedrigen Schemel Platz, ein gutes Stück von ihm entfernt. »Er hat sich schon seit Tagen nicht gut gefühlt, schon als du noch hier gewesen bist. Ich dachte, das wäre dir aufgefallen.«
»Das ist es, aber –«
»Er dachte, es wäre nichts«, fuhr Urd mit einer Stimme fort, die leise war und von tiefer Trauer erfüllt. »Nur ein vorübergehendes Unwohlsein oder vielleicht das Alter, das bei ihm anklopft. Aber das war es wohl nicht.«
»Was dann?«, fragte Thor.
»Als ihr fort wart, Bjorn und Sverig und du und die anderen«, sagte Urd, während ihre Finger begannen, unsichtbaren Mustern auf der Tischplatte nachzufahren, »wurde es schlimmer. Schon am Nachmittag musste er sich hinlegen und bekam Schmerzen in beiden Armen und in der Brust. Sventje hat Lif hinauf zur Festung geschickt. Sie haben einen guten Heiler dort oben. Einen sehr klugen Mann, der alle Heilkräfte der Natur und der Pflanzen kennt, aber auch er konnte ihm nicht mehr helfen. Sein Herz hat einfach aufgehört zu schlagen. Vielleicht war die schwere Arbeit nach all den Jahren einfach zu viel für ihn.«
Thor starrte sie mit steinernem Gesicht an. Es fiel ihm immer noch schwer, zu glauben, was er hörte. »Und … Sventje?«
»Sie ist ihm noch in derselben Nacht gefolgt«, antwortete Urd. »Die beiden sind ihr ganzes Leben lang zusammen gewesen. Wahrscheinlich ist sie an gebrochenem Herzen gestorben.«
Ein sonderbar ungutes und sehr tiefes Schweigen begann sich zwischen ihnen breitzumachen, und als er schließlich irgendetwas – ganz gleich, was – sagen wollte, saß plötzlich ein harter Kloß in seinem Hals. Die Nachricht ging ihm nahe; näher, als sie sollte. Hensvig war ein guter Mann gewesen, so wie Sventje eine gute Frau, das hatte er sofort gespürt. Sie waren freundlich zu Urd und ihren Kindern gewesen, aber letzten Endes hatte er sie so gut wie gar nicht gekannt.
»An dem Morgen, an dem wir in die Berge aufgebrochen sind, hat sie sich verletzt«, sagte er.
»Das war nur ein harmloser Schnitt«, sagte Urd.
»Aber du wolltest nicht, dass ich ihr helfe.«
»Es war nur ein Kratzer«, beharrte Urd. Dann legte sie den Kopf auf die Seite und sah ihn fast besorgt an. »Du glaubst doch nicht etwa, das wäre irgendwie deine Schuld, nur weil du ihren Schmerz nicht gelindert hast? Sie ist nach ihrem Mann gestorben.«
»Ich hätte ihr trotzdem helfen können«, beharrte
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