Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
gewissenhaft herum, bis er eine Ve rmittlungsagentur fand, die Leute mit seinen Qualifikationen betreute. Er versprach sich nicht viel davon, Oma schon. Kepler machte einen Termin und fuhr nach Münster, wo die Agentur ihren Sitz hatte. Der Berater präsentierte ihm eine Reihe von Möglichkeiten. Kepler wollte wieder zur Bundeswehr, zur Not als Angestellter bei der Wehrtechnischen Dienststelle. Allerdings war er dafür zu alt, die stellten niemanden ein, der älter als zweiunddreißig war. Kepler nahm sich vor, durch seine ehemaligen Vorgesetzten trotzdem bei der WTD anzufragen, sollte Oma sich treu bleiben und ihm in dieser Sache nachsetzten. Eine andere Möglichkeit war die Beschäftigung bei Heckler und Koch, Walther oder einem anderen Waffenhersteller. Für solche Unternehmen könnten seine Erfahrungen aus Afrika nützlich sein. Der Berater bestätigte diese Überlegungen, ohne jedoch zu optimistisch zu werden, was Kepler gut gefiel. Er bedankte sich für Ideen und Vorschläge und kam mit dem Mann überein, dass der für ihn die entsprechenden Kontakte herstellen würde. Damit war das Gespräch beendet.
Die B54 war voll, Kepler kam nur mühsam voran und hatte das Gefühl, jede Ampel rot zu erwischen. Es dauerte eine geschlagene Stunde statt den normalerweise üblichen dreißig Minuten, bis er zu Hause war. Er blieb im Auto sitzen und überlegte, ob er Lust hatte, fernzusehen. Es mit Oma zu tun hatte was für sich, aber sie würde irgendeinen Heimatfilm im Dritten sehen wollen, oder eine Liebesschnulze. Da die alte Dame das Kommando über die Fernbedienung hatte, und zwar absolut, entschied Kepler sich nach langem Zögern gegen den Fernsehabend mit ihr. Er fuhr weiter nach Rheine ins Citykino und sah sich dort einen Aktionstreifen an. Der Film war um zehn Uhr abends angefangen und gegen Mitternacht zu Ende, und er war nicht besonders gut gewesen. Während Kepler nach Hause fuhr, bedauerte er, nicht doch mit Oma ferngesehen zu haben.
In der Küche brannte unüblicherweise für diese Uhrzeit das Licht und Kepler hörte zwei weibliche Stimmen. Der Anstand, den Oma ihm jahrelang mühevoll anerzogen hatte, verlangte, dass er den Besuch begrüßte. In der Küchentür blieb er wie angewurzelt stehen. Oma saß am Tisch, beim Tee, mit Melissa.
Kepler hatte die schöne Staatsanwältin nicht vergessen, die ihn nach seiner Rückkehr aus Sudan verhört hatte. Weil sie sich nicht gemeldet hatte, war er davon ausgegangen, dass er sie bei ihrem privaten Treffen in der Bar verschreckt hatte. Anscheinend hatte Melissa jedoch nur etwas Zeit zum Überlegen gebraucht. Allerdings schien sie mit den Folgen, die aus ihren Entscheidungen resultierten, konsequent umzugehen. Zumindest insoweit, dass sie jetzt hier war.
Die Frauen hörten nicht, dass er hereingekommen war, sie waren in ein Fot oalbum vertieft. Wenn Oma einer fremden Person Familienfotos zeigte und auch noch mit glänzenden Augen Geschichten zu jedem davon zum Besten gab, dann hatte sie denjenigen so ziemlich in ihr Herz geschlossen. Kepler war beinahe fassungslos. Normalerweise war Oma recht sparsam mit solchen Beweisen ihrer Gunst. Und jetzt hatte sie eine Menge Spaß, das sah Kepler deutlich. Ein kurzer Stich der Eifersucht durchzuckte ihn beim Anblick von Omas geröteten Wangen. Dennoch fasziniert lauschte er dem Gespräch.
"War er schon immer so ... quadratisch irgendwie?", fragte Melissa gerade.
"Seit er diese s unsägliche Karate treibt", teilte Oma ihr mit.
Kung-Fu , korrigierte Kepler im Stillen.
"Wie lange schon?", wollte Melissa wissen.
"Seit er acht oder neun ist ."
Neun. Na, Oma, Verdrängung , fragte Kepler stumm.
Melissa begutachtete eingehend ein Foto.
"Er sah richtig süß aus. Nur blicken tat er schon damals so grimmig wie jetzt."
"Wenn er was gut kann, dann das", bestätigte Keplers Großmutter.
Toll, Oma, danke , würgte er fast.
"Sonst nichts?", fragte Melissa lächelnd.
"Doch, schon", gab Oma gespielt widerwillig zu. "Er ist klug, sehr belesen, spricht zehn Sprachen..."
Zwölfeinhalb , stellte Kepler richtig.
" ...dieses Karate..."
Kung! Fu! Immer noch! Aber es sind erst fünfundzwanzig Jahre, sie lernt es noch schon, ganz bestimmt , beruhigte Kepler sich.
" ...kann er sehr gut...", bescheinigte Oma.
Danke sehr , honorierte Kepler die widerwillige Objektivität.
"Er war ein guter Soldat", fuhr seine Großmutter ernst fort.
Kepler starrte sie verwundert an. Dass sie ihm das als Tugend anrechnete, das wunderte ihn dann doch.
"Und er
Weitere Kostenlose Bücher