Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
Fuß zum Bahnhof im Ortsteil Hemelingen. Dort stieg er in den Zug nach Hamburg.
Dort angekommen, kaufte Kepler am Bahnhof eine Baseballmütze. Er zog sie tief ins Gesicht, als er eine halbe Stunde später den Surf Shop in der Sorbenstraße betrat. Seine DNA war registriert und er konnte es sich nicht erlauben, auch nur ein Haar an falscher Stelle zu verlieren. Den Kopf nach unten haltend und den bayerischen Akzent seines Partners beim KSK imitierend, nahm er die Hilfe eines Verkäufers in Anspruch. Eine Stunde später hatte er eine Badekappe, einen 2-mm-Ganzkörper-Neopren-Taucheranzug und Füßlinge, die ihm eine Nummer zu groß waren, bar bezahlt. Bei SportScheck kaufte er in der Abteilung für Wanderbekleidung eine Hose und eine Jacke, die denen glichen, die er gerne trug, dünne Lederhandschuhe, eine Skimaske und einen Rucksack. Zum Schluss besorgte er bei Media Markt zwei Prepaidhandys.
Das Einkaufen in Hamburg hatte länger gedauert als Kepler geplant hatte, deswegen fuhr er auf dem Rückweg bis zum Bremer Hauptbahnhof, anstatt in Hemelingen oder Oberneuland auszusteigen. Es war später Nachmittag, als er in der obligatorischen Bahnhofsbuchhandlung Playboy , P.M. und Stern kaufte, eine mehr oder weniger typische Reiselektüre. Unweit des Bahnhofes gab es einen gut sortierten Partyservice, dort erstand Kepler zwei große Steaks. Danach brauchte er nur noch die Schienen zu überqueren, um zu einer Postfiliale zu gelangen. Dort kaufte er einen großen braunen DIN-A4-Umschlag.
Zu Hause steckte er die Hose und die Jacke in die Waschmaschine und wählte das Kurzprogramm an. Danach holte er aus dem Verbandkasten in seinem Auto die Einmalhandschuhe. Zurück in der Wohnung zog er sie an und entlud alle vier Magazine. Er wischte jede einzelne Patrone mit Reinigungsmittel sauber und steckte sie wieder in die Magazine. Jetzt hatte er achtundsechzig saubere Schuss, das sollte reichen. Nachdem er damit fertig war, schraubte er den Schalldämpfer auf die Pistole, steckte ein Magazin ein und lud die Waffe durch.
Es war ein sehr lange vermisstes und ein sonderbar wahrhaftiges Gefühl, wieder eine geladene Pistole in der Hand zu halten. Kepler wog die Glock ein paar Mal, bevor er sie und die Magazine in einen Lappen einwickelte.
Kepler ging ans Fenster, öffnete es und steckte sich eine Zigarette an. Während er daran zog, ging er seinen Plan im Kopf durch. Nachdem er aufgeraucht hatte, holte er die Kleidung aus der Waschmaschine und steckte sie in den Trockner.
Es war schon kurz nach vier Uhr. Kepler legte sich hin.
Sehr viele waren bereit, auch für weit weniger als eine Million, Strapazen auf sich zu nehmen. Für Geld taten solche Leute anderen Menschen unsagbare Dinge an. So war der Lauf der Welt und man konnte sich dem fügen oder sich dagegen wehren – wenn man die Wahl und die Möglichkeit dazu hatte.
Kepler war bereit, für seine Überzeugung, wie verkommen sie in den Augen anderer auch sein mochte, einzustehen. Anhand seiner Möglichkeiten hatte er die Wahl getroffen, alles zu tun, damit seine Familie sicher war. Sein Vorhaben war nichts Gutes, aber es war die einzige Art, die er beherrschte. Überall musste man für sein Bisschen Glück kämpfen, und überall schien das Böse im Vorteil zu sein. Das Gute beschützte es sogar. Kepler akzeptierte das durchaus, weil die guten Seiten letztendlich überwogen. Aber er tat es nur bis zu einer gewissen Grenze, und die, die seine Familie bedrohten, hatten diese Grenze überschritten.
Sie hatten das Gesetz mit dessen eigener Güte ausmanövriert, sodass es anstatt seinem Bruder zu helfen, ihn im Stich ließ, nur um bloß die Rechte der Bösen nicht zu verletzen. Und Jens litt lieber selbst, anstatt sich zur Wehr zu setzen.
E inen anderen Weg als die Gewalt, um das zu beenden, sah Kepler nicht. Zumindest nicht mehr. Hätte sein Bruder ihm gleich alles erzählt, hätte Kepler den Typen die Lust auf die Million einfach ausgeprügelt. Jetzt war es dazu wohl zu spät, er und die Erpresser, sie hatten nur noch einen halben Tag Zeit.
E in fader Nachgeschmack blieb trotzdem. Es war nie einfach, zu unterscheiden was gut und was böse war. Kepler selbst war ein Beispiel dafür, dass die Differenzierung oft nur vom Betrachtungswinkel abhing. Aber wer war er schon, zu wissen, was richtig und was falsch war. Er wusste nur, was er ohne zu überlegen tun würde, und auch, was er niemals auch nur in Erwägung ziehen würde.
Die Erpresser hatten sich dazu entschlossen, etwas zu
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