Freiheit für Cyador
mit dem offiziellen Namen Südend.
»Ser! Grün voraus!«
»Grün voraus … direkt vor uns!« Der Ruf wird von den anderen Lanzenkämpfern wiederholt und so weitergegeben an Lorn und Kusyl.
Lorn schüttelt den Kopf, während er den Wallach im Trab zum Lanzenkämpfer mit der erhobenen Feuerlanze lenkt.
»Anhalten! Anhalten!« Nachdem Kusyl den Befehl hinausgebellt hat, folgt er dem Hauptmann der Kompanie.
Truppenführer und Hauptmann kommen gut dreißig Ellen vor dem Schössling zum Stehen, den der Lanzenkämpfer gesichtet hat. Mit einer Höhe von nicht einmal zwei Ellen sind die zwei grünen Blätter viel kleiner als die, die Lorn auf seinem Ritt – oder seiner Patrouille nach Jakaafra gesehen und zerstört hat, und sie erscheinen ihm auch viel schmächtiger und kümmerlicher. Lorn vermag nur ganz wenig von der Schwarzen Ordnung zu fühlen, die hinter der Sperrenmauer lauert, aber trotzdem betrachtet er die Pflanze lange.
»Ser?«
»Verbrennt sie. Jeweils zwei Feuerlanzen sollen gleichzeitig feuern«, befielt Lorn dem Truppenführer.
»Ja, Ser. In Zweierreihen aufstellen!«, gibt Kusyl den Befehl weiter. »Fertig machen zum Feuern!«
Nachdem sich die in einer Linie aufgestellten Lanzenkämpfer der Zweiten Einheit in die standardmäßige Zweierkolonne umformiert haben, sieht Kusyl Lorn an.
Der Hauptmann der Kompanie nickt.
»Vorrücken und feuern!«
Unter der warmen Nachmittagssonne sieht Lorn dem Schauspiel zu. Der Schössling verwittert unter den Chaos-Flammen der Feuerlanzen, und es bleibt nichts zurück als schwarze Asche, die zu Pulver zerfällt und mit einem leichten Windstoß in alle vier Winde verstreut wird. Dann kehrt wieder Windstille ein.
Lorn sieht zu, wie die Asche sich verteilt, und lässt seine Chaos-Ordnungs-Sinne in die Erde wandern, doch von einer unterirdischen Ordnungs-Quelle ist nichts zu spüren. Dann holt er eine Schriftrolle heraus und reitet zur Mauer, um sich den Standpunkt der Sperre zu notieren, bevor er einen Kurier damit zu den Ingenieuren nach Ostend schickt. Er weiß, dass die Ingenieure nichts mehr finden werden, aber das schreibt er natürlich nicht. Auch notiert er den Vorfall für sich selbst noch einmal in seinem eigenen kleinen Notizbuch.
Er lässt das Stirnrunzeln von seinem Gesicht verschwinden und reitet zurück – an Olisenn vorbei. Es bereitet ihm Kopfzerbrechen, dass der Schössling so klein war, besonders nachdem er die mächtige dunkle Ordnung gespürt hat, die hinter den weißen Granitsteinen der Sperrenmauern lauert.
XI
L orn legt die Feder mit der Bronzespitze zur Seite. Der zweite Patrouillenbericht ist endlich fertig. Der Hauptmann legt das Papier zum Trocknen auf den Rand des Schreibtischs und dreht sich herum, um aus dem Fenster zu blicken, hinaus auf die Wolken, die von Süden herangeweht werden und sich im Norden zusammenbrauen. Bei der feuchten Wärme am Morgen und den Wolken zweifelt Lorn nicht mehr daran, dass es bald regnen wird, vielleicht sogar für mehrere Tage. Doch die Zweite Kompanie wird am nächsten Morgen wieder auf Patrouille gehen, ganz gleich ob es nun regnet oder nicht.
Er wendet sich wieder dem Schreibtisch zu und reibt sich nachdenklich das glatt rasierte Kinn, bevor er nach dem Patrouillenhandbuch greift, das Maran ihm gegeben hat und das bereits erste Flecken und Eselsohren davongetragen hat. Unwillkürlich vergleicht er es mit dem alten und makellos silbrig glänzenden Buch, das Ryalth ihm geschenkt hat. Dann schüttelt er den Kopf und zwingt seine Gedanken, zu dem Handbuch zurückzukehren, in dem er etwas sucht, was er schon einmal gelesen hat – zumindest bildet er sich das ein.
… ein Hauptmann der Lanzenkämpferkompanie kann weder Brüche in der Sperrenmauer verhindern noch kann er die feindseligen Raubtiere des Verwunschenen Waldes davon abhalten, durch diese Brüche zu entkommen, aber er muss alles tun, was in seiner Macht steht, um sicherzustellen, dass diese Untiere vernichtet werden, bevor sie den Ödlandstreifen verlassen und Schaden anrichten können, sei es unter den Menschen in Cyador, deren Vieh oder auf deren Land.
Ein kluger Hauptmann wird seine Truppen so lenken, dass die Lanzenkämpfer nicht unnötigen Gefahren ausgesetzt werden und die Zahl der Verwundeten so niedrig wie möglich gehalten wird, während er gleichzeitig dafür Sorge zu tragen hat, dass so viele Tiere des Waldes wie nur irgend möglich getötet werden, bevor sie Schaden anrichten können …
Lorn schnaubt, als er das
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