Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
partout nicht voll und ganz auf ihn einlassen.
Natürlich konnte sein Haarschnitt sich inzwischen sehen lassen, ebenso wie seine Garderobe. Ich war auffällig eifrig dabei, aus ihm einen sehr attraktiven Mann zu machen.
Und trotzdem - etwas an seiner Art schreckte mich ab. Er wirkte so distanziert, so dominant. Und ich fühlte mich durch seine Avancen unter Druck gesetzt. Doch dieser Mann ließ nicht locker. Er ging nicht vor wie ein routinierter Womanizer, sondern eher wie ein ausdauernder Langstreckenläufer. Was ihn mir wiederum sympathischer machte. Und ich durfte mich etwas sicherer fühlen, dass ich immer das Steuer in der Hand behielt.
Passt alles ganz gut zu einem Steinbock, musste ich denken. Auch mein Vater war Steinbock. Schon damals schwante mir, dass mein Verehrer nicht nur von der Statur her Ähnlichkeit mit ihm hatte. Das machte es mir mit ihm nicht gerade leichter. Vom Kopf her wollte ich mit einem Typus, wie mein Vater es war, absolut nichts mehr zu tun haben.
Vom Bauch her zog es mich wohl gerade auch deshalb zu ihm hin.
So befanden wir uns nun schon monatelang in einem Pas de Deux aus Nähe und Distanz, wie zwei Tänzer, die immer wieder aufeinander zu und dann wieder voneinander weg schreiten, ohne zu inniger Berührung zu gelangen.
Doch nun änderte Frank seine Strategie. Zwar nicht gerade der geborene Frauenversteher, war er durchaus lernfähig. Gleichwohl hätte ich ihm, dem studierten Betriebswirt, kaum zugetraut, dass er gefühlvolle Liebesbriefe schreiben könnte. Nun wurde ich eines Besseren belehrt. Dieser verblüffende Wechsel ins Gefühlsfach kam mir verdächtig vor. Ich las seine Huldigungen zwar überaus gern, ihm gegenüber jedoch tat ich so, als legte ich sie achtlos beiseite.
»Solche Typen kennt man ja«, meinte ich scheinbar souverän zu Hatice, »für den ist eine Frau nur ein Objekt. Der will mich manipulieren.«
Ob das nun wirklich so war oder nicht, spielte von dem Moment an keine Rolle mehr, da die Festung sturmreif geschossen war. Und als Nächstes zielte Frank auf mein Mutterherz. Es war der Schuss, der mich endgültig zur Strecke bringen sollte.
Längst schon hatte er herausbekommen, dass ich, die alleinerziehende, berufstätige Mutter, von chronischen Gewissensbissen gepeinigt wurde. Hier setzte er nun den letzten Hebel an. Offen gestanden, es war nur noch ein klitzekleines Hebelchen nötig. Eigentlich war ich ja längst schon wieder reif für eine Beziehung. Und so lange, wie wir beide uns nun schon geprüft hatten … Es war wirklich langsam eine Entscheidung angesagt.
Eines Tages bot er mir beiläufig an, sich ein bisschen um Cenk zu kümmern. Damit meint er wohl, mich aushebeln zu können, dachte ich noch bei mir. Aber das war nur noch Pro-forma-Widerstand. Zumal ich wirklich Hilfe brauchte. Auch bezahlte Tagesmütter vermögen nämlich keineswegs immer zu garantieren, dass das Kind optimal betreut wird. Als es wieder einmal brannte im täglichen Kampf um Cenks geordneten Tagesablauf, nahm ich Franks Angebot schließlich dankend (und dankbar) an. Wie verdächtig glücklich ich war, als mein Sohn mit leuchtenden Augen von dem Ausflug, den sie unternommen hatten, zurückkam! Cenk, inzwischen zehn Jahre alt, brauchte einfach eine Vaterfigur in seinem jungen Leben. Und mit Frank schien er sich prächtig zu verstehen. Cenk selbst übernahm jetzt die Initiative, um etwas mit Frank zu unternehmen, und das taten die beiden dann auch. Ebenso wie Frank und ich selbst.
Der Schreck sitzt mir in allen Gliedern. Wir sind in einen Autounfall verwickelt worden. Der Wagen hat Totalschaden. Zusammen mit Cenk komme ich gerade aus der Ambulanzklinik. Gott sei Dank sind wir mit ein paar Kratzern und Beulen davongekommen. Aber nun? Ich fühle mich leer und sehr, sehr einsam. Mein erster Gedanke ist, Hatice anzurufen. Nein, sie wird es früh genug erfahren, und ich möchte ihr keine Sorgen machen. Da liegt es doch nahe, Franks Nummer zu wählen. In diesem Moment geht mir ein ganzer Kronleuchter auf: Dieser Mann ist ein Fels in der Brandung. Auf ihn kann ich bauen, so viel steht fest.
Das hat dir doch immer gefehlt.
So spricht mein Herz. Und nun fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Frank hat es endlich geschafft, eine Sehnsucht in mir freizulegen, die so tief verschüttet war, dass ich selbst nicht mehr daran glauben wollte, dass es sie überhaupt gab. Ich selbst hatte sie über viele Jahre hinweg immer wieder zum Schweigen gebracht. Ich, die verwundete Tochter. Das
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