Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
Wochen rief sie mich von dort an.
»Ich vermisse dich, Schwesterherz. New York ist eine so fantastische Stadt, wie gemacht für uns beide. Ich würde dir so gern alles zeigen.«
Da gab es für mich kein Halten mehr. Mit fliegenden Fahnen eilte ich zu ihr. Drei Wochen Urlaub hatte ich mir herausgenommen. Tatsächlich war ich von New York fasziniert. Hati hatte inzwischen interessante Leute kennengelernt und nahm mich mit zu Partys, Vernissagen, privaten Einladungen. Diese Stadt war so kreativ, so aufregend, so pulsierend. Und plötzlich stand es als ernsthafter Gedanke im Raum:
»Wir könnten nächstes Jahr hier eine Filiale aufmachen.«
Ich wundere mich jetzt doch selbst über meine Kühnheit. Hatice schaut mich mit zusammengekniffenen Augen von der Seite her an.
»Und was ist mit Frank und Cenk? Du hast doch eine Familie.«
Typisch Hatice. Da ist sie wieder ganz die Realistin, die mich zur Vernunft rufen muss.
»Wie könnte ich meine Familie vergessen«, entgegne ich und spüre zugleich, dass mich der Gedanke daran traurig macht.
»Aber weißt du was, Hatice, ich habe das Gefühl, dass ich kurz vor dem Absprung bin. Wenn Frank mir jetzt nicht bald einen Heiratsantrag macht …«
Noch während ich den Satz ausspreche, beginnt mein Kopfkino zu laufen.
»Bitte sprich mich die nächsten paar Minuten nicht an. Ich muss in Ruhe nachdenken.«
Nun, »Denken« kann man es zwar nicht nennen, aber ich hatte keine Lust, mich jetzt in allen Einzelheiten zu erklären. Inzwischen hatte ich meine Visualisierungstechnik verfeinert. In meiner Vorstellung betrete ich einen Kinosaal mit einer großen, leeren Leinwand. Darauf projiziere ich ein möglichst detailliertes und lebendiges Bild von Frank. Dann bitte ich ihn, mir den Heiratsantrag zu machen! Nickt er - oder habe ich mich getäuscht?
Als Nächstes produziere ich gedanklich eine Filmszene: unsere Hochzeit. Ich sehe mich als Braut, ganz in weiß, sehe Frank in einem weißen Anzug, viele Gäste, eine Kutsche. Eine ganz romantische Kulisse male ich mir aus, mit zahlreichen Details.
Nach einigen gedanklichen Zwischenschritten, die hier nicht beschrieben werden müssen, komme ich wieder zurück in die Realität. Ich bin wieder auf der Bank im Central Park. Meine Schwester ist inzwischen so in ihr Buch vertieft, dass sie richtig zusammenzuckt, als ich das Wort an sie richte.
»Eines sage ich dir, Hatice. Wenn es jetzt nicht klappt, dann klappt es nie mehr.«
Einige Wochen später, wieder zu Hause. Frank lädt mich zum Abendessen in ein besonderes Restaurant ein. Er wird doch nicht … Doch, er wird: Bei romantischem Kerzenschein schaut er mir tief in die Augen, nimmt zärtlich meine Hand und fragt mich, ob ich seine Ehefrau werden will. Ich kann es nicht fassen! Und er will keine Zeit verlieren. Jetzt - oder nie. Noch in diesem Jahr will er mich heiraten - und zwar in Istanbul!
Hat er gespürt, dass ich kurz davor stand, mich von ihm zu lösen? Hat die Magie meines Wünschens es bewirkt? Als hätte er gewusst, dass dies unsere letzte Chance ist. Wir schreiben Ende August des Jahres 2001 - und Anfang Oktober soll nach Franks Vorstellung die Hochzeit stattfinden. Das war schon rein organisatorisch eine große Herausforderung: die Beschaffung der erforderlichen Papiere, die Planung und Vorbereitung der Feierlichkeiten von Deutschland aus … Aber mein zukünftiger Mann war doch ein Organisationsgenie - also sollte er jetzt einmal seine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Das würde mich nur umso mehr von seinem festen Willen überzeugen, den Bund fürs Leben mit mir zu schließen.
Und wie perfekt er alles hinbekam! Meine zweite Hochzeit wurde so schön, wie ich es nicht mehr zu träumen gewagt hätte. 34 Jahre alt musste ich werden, bis diese Mädchensehnsucht in Erfüllung gehen sollte, und als es so weit war, übertraf es alle meine Erwartungen.
Ein wunderbar milder Tag im Oktober. Auf dem Bosporus befinden sich drei Hochzeitsboote. In der Mitte ankert ein großes, auf dem sich die Festgesellschaft versammelt hat.
Ihm nähern sich langsam zwei kleine Boote. Das eine von der asiatischen Seite her, in ihm die Braut, ganz in weiß. Das andere von der europäischen Seite her, mit Bräutigam und Sohn, beide ebenfalls in Weiß. Am großen Boot angekommen, besteigen Braut und Bräutigam es von zwei Seiten her und treffen sich auf dem festlich geschmückten Deck. Große Überraschung: Die Braut ist blond! (Und sie wird es von nun an bleiben …)
Unter freiem Himmel, auf
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