Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
Tages nachklingen und schwelgen noch im Gefühl des Triumphes.
»Jetzt haben wir ihnen endlich gezeigt, was wir können.«
Ich weiß genau, wie meine Schwester das meint. Nicht nur, dass wir in der Fachwelt des Friseurhandwerks jetzt einen Namen haben. Die Befriedigung reicht tiefer. Wir sind gemeinsam auf diese Welt gekommen, und wir haben es »ihnen« gemeinsam gezeigt. Wir schauen uns an und wissen beide ganz genau, wer gemeint ist.
Diese Ereignisse waren der entscheidende Wendepunkt für mich. Sie haben etwas Neues in mein Leben gebracht: das Gefühl, dass ich etwas wert bin. Die Gewissheit, dass ich ein Ziel erreichen kann. Den Glauben an mich selbst. Eine großartige Erfahrung mit meinen 29 Jahren, der pure Balsam für meine Seele.
Etwas fehlte aber noch immer. Gerade jetzt musste ich oft an meine Familie denken. Ich hätte meinen Erfolg so gern mit ihr geteilt. Meinen Triumph zusammen mit ihr ausgekostet. Ausgerechnet die Tochter, die euch als Schande galt, heimst jetzt für uns alle Ehre ein!
Ja, jetzt wollte ich die Anerkennung meiner Familie. Und sie würden mir eines Tages das verdiente Lob zollen. Meine Rehabilitation würde kommen! Ich glaubte es, spürte es - wusste es! Das wurde nun mein Motor.
Die Liebe ist ein Ozean, aber wir sind leider keine Fische
Frankfurt, im Frühjahr 1996
I ch möchte zu einer gewissen Ayşe.« Eine sonore Männerstimme dringt von der Rezeption herüber. Ich glaube, ich höre nicht richtig. Hat der eine Art, sich bemerkbar zu machen! Ich entschuldige mich kurz bei meiner Kundin, um zu schauen, wer das wohl ist.
Da steht ein Typ in altmodischen Jeans und spießigen Straßenschuhen. Hat ein kariertes Hemd an, das mich an eine Tischdecke erinnert. Darüber eine abgewetzte Barbourjacke. Ein Outfit, angesiedelt irgendwo im geschmacklichen Niemandsland zwischen unauffällig und langweilig. Manche mögen so was ja »charaktervoll« finden, mir fehlt da einfach alles dran. Und dieser Haarschnitt, der eigentlich gar keiner ist! Einfach grauenvoll.
Aber der Rest … Ich ertappe mich dabei, alles sorgfältig zu taxieren. Circa 195 Zentimeter, das hatte ich schnell heraus, denn der hier war so groß wie mein Vater. Dunkle, feurige Augen. Schwarzbraunes, welliges Haar, markante Nase und volle Lippen. Muskulöser, wohlproportionierter Körper. Ein Beschützertyp, eine Säule zum Anlehnen. Eigentlich ganz mein Fall … abgesehen von der Präsentation natürlich.
Halt, wo laufen meine Gedanken denn hin?
Dieser Kerl kommt hier rein und meint wohl, mein Scheinwerfer richtet sich gleich auf ihn. Schaut auch noch so herablassend zu mir herunter.
»Was möchten Sie denn von dieser Ayşe?«, frage ich kühl.
Er äugt hochnäsig über meinen Kopf hinweg. Kann er leicht, bei seiner Größe.
»Das möchte ich ihr lieber persönlich sagen.«
Ich wende mich ab, wie um zu der Kundin zurückzugehen.
»Dazu hatten Sie gerade Gelegenheit. Ayşe stand vor Ihnen.«
Das ist ihm sichtlich peinlich. Aber verbal lässt er sich offenbar nicht so leicht aus dem Konzept bringen.
»Aha, Sie sind das also. Ich möchte gern mit Ihnen persönlich einen Termin zum Haareschneiden vereinbaren.«
Ich halte inne, versuche aber, mir meine Neugier nicht anmerken zu lassen.
»Soso. Wer hat Sie denn geschickt?«, frage ich über meine Schulter hinweg.
»Ute, Ihre Nachbarin. Sie meinte, ich sollte mal bei Ihnen zum Haareschneiden gehen.«
Na, das ist wohl alles, was er an Charme aufbieten kann! Ich bereue es plötzlich, ihn nicht gleich wieder weggeschickt zu haben. Schließlich haben wir einen randvollen Terminkalender. Und diese Ute! Ich nehme mir vor, ihr die Leviten zu lesen. Wie kommt sie nur auf die Idee, mir einen so gar nicht hierher passenden Kunden zu schicken! Ist wohl verliebt in ihn und meint, ich könnte ihn für sie
etwas aufmöbeln. Aber jetzt bringe ich es doch nicht mehr fertig, ihn abzuwimmeln. Er bekommt seinen Termin. Auch bei mir persönlich. Warum eigentlich, das wüsste ich in diesem Moment ganz gern selbst.
Um es gleich zu sagen: Es sollte nicht bei einem einzigen Wiedersehen mit Frank Auth bleiben. Und nicht beim Haareschneiden. Zu meiner immer größeren Überraschung wurden wir scheibchenweise, aber doch unaufhaltsam ein Paar. Immerhin ließ ich ihn noch fast ein ganzes Jahr lang zappeln! Aber jede Woche Wartezeit schien ihn nur noch mehr anzustacheln. Unermüdlich warb er um meine Gunst. Doch auch als ich schon begonnen hatte, ihn zu lieben, wollte ich mich
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