Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

dem Wasser, das die Grenzscheide zwischen Europa und Asien bildet, geben sich ein Deutscher und eine Türkin das Jawort. 70 Gäste aus vielen Ländern feiern drei Tage und Nächte die Vermählung. Mit türkischen und deutschen Heiratsritualen, auf türkische und auf deutsche Art und Weise. Mit dem Besten aus zwei Welten! Es fließen Tränen der Rührung und der Freude, und erst recht fließt der Champagner. Ein rauschendes Fest!
    Eine große Genugtuung für mich war es, dass auch mein Vater mitfeierte. Zwei Tage vor der Hochzeit war Frank zu ihm gefahren und hatte offiziell um meine Hand angehalten. Darauf hatte ich bestanden, weil ich wusste, dass Baba sonst nicht zur Hochzeit kommen würde. Und - was soll ich sagen: Die beiden waren einander sofort sympathisch.
    Um wieder einmal eine lange Geschichte kurz zu machen: Nach zwei Jahren Ehe wurden Frank und Ayşe Auth wieder geschieden. Denn auch der Trauschein änderte nichts daran, dass ihre Lebensvorstellungen grundverschieden waren. Aber sie trennten sich in Frieden. Und ich trage immer noch Franks Namen.

    Ask ozean kadar bǔyǔk ama ǐnsanlar balik dekiller - die Liebe ist so groß und tief wie der Ozean, aber wir Menschen sind nun mal keine Fische.

Ich bin ich, wo immer ich auch bin
    Frankfurt, 2002-2006
     
     
     
     
    N ew York war ein schöner Traum, aber nur ein kurzer … Der 9. September 2001 veränderte das gesellschaftliche Klima in den USA so abrupt und tiefgreifend, dass dort für zwei muslimische Frauen aus Europa nicht mehr gerade die rosigsten Aussichten für eine Existenzgründung zu bestehen schienen.
    Aber HaarWerk boomt! Und wir beide sind dermaßen in Aufbruchstimmung, dass wir nun wirklich etwas Neues wagen wollen. Wenn schon nicht den großen Sprung über den großen Teich, dann wenigstens einen kleinen über den Main: von Sachsenhausen in die Frankfurter City. Und wir schaffen es: Im Februar 2002 eröffnen wir unseren neuen Salon in der repräsentativen Freßgass. Ein weiteres Mal gehen wir ins Risiko, denn dort sind die Ladenmieten höher als fast überall sonst in Frankfurt. Dafür erhält man aber auch Zugang zur zahlungskräftigsten Kundschaft der Stadt, denn dieser Straßenzug liegt zwischen Alter Oper und Börse. Dicht an dicht drängen sich die Restaurants. Banker, Künstler und Medienleute gönnen sich hier gern eine Pause, man hat aber auch Laufkundschaft aus der Zeil, der benachbarten Einkaufsstraße.

    Auf verschlungenen Wegen sind wir nun hier angekommen: vom Erdhaus in Susurluk in die Flaniermeile der Geldstadt Frankfurt. Unser Leben ist atemberaubend, ein aufregendes, mitreißendes Spiel. Und wir mittendrin. Jetzt tun wir den nächsten Schritt.
    Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen immer schwarz, die Farbe der Business-Leute. Und »Blond« wird zum Markenzeichen zweier Zwillinge mit Migrationshintergrund, die es geschafft haben. Dass wir nun auf einem großen Berg Schulden sitzen, gehört ebenfalls dazu …
    Es funktionierte! Unser Konzept wurde angenommen, unsere Arbeit geschätzt. Das neue HaarWerk war auf bestem Wege, endgültig zu einer lokalen Top-Adresse unseres Gewerbes zu werden. Eine Empfehlung führte zur nächsten, und eines Tages lag eine Anfrage vom ZDF auf dem Tisch, ob ich die Make-up-Beratung der Moderatorinnen übernehmen wollte. Keine Frage, ob ich wollte.
    Ich spielte mit dem Gedanken, einen zweiten Salon aufzumachen. Doch Hatice bremste. Sie hatte andere Pläne. Pläne privater Natur. Die Ärzte hatten ihr eröffnet, dass sie nicht schwanger werden könnte, es sei denn, sie ließe einen komplizierten chirurgischen Eingriff über sich ergehen. Mit ungewissen Erfolgsaussichten. Das veranlasste sie, sich ganz konkret mit der Möglichkeit einer Adoption zu befassen. Seit ihrer Kindheit hatte sie den Traum im Herzen getragen, einem Kind, das aus ärmlichen Verhältnissen kam, zu einem glücklichen Leben zu verhelfen.
    Her telden çalmak - auf allen Saiten spielen.
    Das heißt, nie einseitig zu werden. Stets zu berücksichtigen, dass mehrere Kräfte im Spiel sind. Ich weiß, was ich
an meiner Schwester habe. Ich war bereit, mich in unserem Geschäft noch mehr zu engagieren, um ihr den Rücken freizuhalten. Aber zuvor musste ich etwas nachholen: meinen Meister machen. Das war schon lange beschlossene Sache.
    Hatice hatte ihre Meisterprüfung bereits kurz nach der Lehrzeit abgelegt. Zum Glück, denn sonst hätten wir uns gar nicht selbstständig machen können. Nun spürte ich: Jetzt oder nie, denn