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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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Beides hätte seine Verhandlungsposition gestärkt, wenn er vorgehabt hätte, sich zu widersetzen. Aber das hatte er nicht vor.
    Baba gab seine Antwort in schriftlicher Form. Das war alles andere als notwendig. Aber mit der gleichen Förmlichkeit zu antworten bezeugte auf eine etwas steife, konservative Weise Achtung vor einer höhergestellten Person. Gleichzeitig war jedoch auch klar, dass seine Mutter jemanden bitten musste, ihr seinen Antwortbrief vorzulesen. Das muss wie eine subtile Demütigung für sie gewesen sein. Ihr Analphabetismus beruhte übrigens einzig und allein darauf, dass sie es als Kind nicht nötig hatte, eine Schule zu besuchen.
    Diese ziemlich umständliche Form der Kommunikation mag westlichen Menschen befremdlich erscheinen. Hier sagt man sich ja doch ganz gern gegenseitig die Meinung und hält sich viel zugute auf die Fähigkeit zur »offenen Aussprache«. Wo aber die Notwendigkeit, unbedingt die Form zu wahren, so stark verinnerlicht ist wie bei uns zu
Hause, läuft es halt ganz anders. Es bleibt oft gar nichts anderes übrig, als einen förmlichen Akt der Unterwerfung zu wählen, um wenigstens inneren Widerstand zum Ausdruck zu bringen. Vor allem aber auch, um klarzumachen, dass für die eigene Zustimmung ein Preis zu entrichten ist. Viele Menschen im östlichen Kulturkreis, vor allem die Frauen, haben es in dieser indirekten und stillen Form, Druck auszuüben, zu wahrer Meisterschaft gebracht. Ich gehöre allerdings nicht dazu.
    Auch Baba wollte seiner Mama klarmachen, dass für sein Einverständnis ein Preis zu entrichten oder besser: eine Bedingung zu erfüllen war. Und die hatte es in sich. Er schrieb ihr nämlich zurück:
    »Wenn schon, dann musst du beide nehmen, Zwillinge trennt man nicht.«
    Unsere Mutter wurde, wie ich stark vermute, nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen. Sie dürfte es auch nicht anders erwartet haben. Aus langer, leidvoller Erfahrung wusste Muazzez, dass sie gegen den geballten Willen ihres Mannes und seiner Mutter nie ankommen würde. Die Haltung des Erduldens und Ertragens war ihr so sehr zur zweiten Natur geworden, dass sie gar nicht anders konnte, als sich zu fügen. Ein Aufbäumen gegen die Familie ihres Mannes? Undenkbar! Also ergab sie sich schweigend in ihr Schicksal und versank in stummem Schmerz. Es muss für sie gewesen sein, als wenn sie gezwungen würde, zwei ihrer Kinder zur Adoption freizugeben. Verkraften konnte sie es nur, indem sie innerlich mit uns abschloss. So jedenfalls lernte ich es irgendwann zu sehen, und das war der Beginn des Prozesses gegenseitigen Verzeihens zwischen
meiner Mutter und mir. Selbst dann dauerte es noch eine ganze Weile, bis sie es gegenüber meiner Schwester und mir offen zugeben konnte.
    Man stelle sich das jetzt bitte bildlich vor: Hatice und ich waren gerade sechs Monate alt, hilflose Säuglinge noch, die erst sehr viel später verstehen würden, was ihre Eltern da gemacht hatten - uns wegzugeben in ein fernes Land, in die Obhut einer alten Frau, die ihrem Leben wieder Saft und Farbe verleihen wollte.

    Die ersten 16 Jahre eines Lebens können einem sehr lang erscheinen, wenn man sehnsüchtig darauf wartet, endlich wieder bei den Eltern sein zu dürfen. Sie werden zum Gefängnis, wenn man sich immer nur geduldet, aber nie wirklich geliebt fühlt.
    Arife hatte bei ihrem Sohn nur eines der Zwillingsmädchen angefordert, nun aber musste sie beide nehmen. Es entsprach ihrem Charakter, dass sie dennoch ihre eigene Agenda nicht änderte. Sie wollte ein Kind, und sie verhielt sich weitgehend so, als ob es auch nur eines in ihrem Gesichtskreis gäbe. Warum, verstand ich nicht, aber es war Hati, die zu ihrem Augenstern avancierte. Zwar nicht für uns als kleine Kinder, aber für alle Erwachsenen, die nicht völlig blind waren, muss es offensichtlich gewesen sein: Meine Schwester wurde zum Dreh- und Angelpunkt im Gefühlsleben unserer Großmutter. Von ihr bezog die alte Frau eine emotionale Energie, die sie schon lange Zeit nicht mehr hatte bekommen können - oder wollen. Nicht
von ihrem Mann (den hielt sie auf Distanz) und nicht von ihren eigenen Kindern (die hatten sich selbst distanziert). Meine Schwester bekam somit eine heikle Rolle zugeteilt. Einerseits konzentrierte unsere Großmutter ihre Zuwendung und Fürsorge fast ausschließlich auf sie. Andererseits wurde sie emotional viel stärker in die Pflicht genommen als ich. Uns beiden hatte man verwehrt, bei Vater und Mutter aufzuwachsen. Aber einer von uns wurde

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