Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
beiden. Immerhin trennten sie sich in gegenseitigem Einvernehmen.
Pattensen - Peine - Paris
L ass uns zu Hatices Hochzeit fahren, ja?«
Mein Mann studiert gerade die Sportseiten von Hürriyet. Die Mittagssonne lacht am Himmel, er hat in den Tag hineingeschlafen, im Schlafanzug eine ganze Kanne Kaffee getrunken und in der Zeitung seines Bruders gelesen. Wovon wir leben? Von der Hand in den Mund. Woher das wenige Geld kommt? Ich weiß es immer noch nicht.
Jetzt ist vielleicht nicht der günstigste Zeitpunkt, um meine Bitte vorzutragen, aber ich muss es ja, bevor er sich verdrückt, um irgendwann spätabends wieder nach Hause zu kommen.
»Kommt gar nicht infrage«, brummelt er und raschelt demonstrativ mit dem Revolverblatt. Es kommt mir vor wie eine Einschüchterungsmaßnahme.
»Ja, warum denn eigentlich nicht?«
Jetzt will ich es aber doch wissen!
»Das fragst du noch? So, wie dich deine Familie behandelt hat?«
»Aber Hati hat damit doch nichts zu tun!«
Wie kann er nur meine Zwillingsschwester mit dem Rest der Familie über einen Leisten schlagen! Doch es ist nichts zu machen. Für ihn bleibt es dabei: Läuft nicht! Und ich kann nichts machen, ohne einen Pfennig selbstverdientes Geld.
Ich bin hochschwanger, karnı burnunda olmak - mein Bauch so hoch wie meine Nase . Dass Zwillinge doppelte Freude machen, wie man so schön sagt, das kann ich nun nicht finden.
In dem Augenblick, da man erfährt, dass es zwei Babys sind, trifft einen der Schlag. Zwillinge bedeuten bei Schwangerschaft und Geburt ein doppeltes Risiko: für mich als Mutter, für unsere Familie als Ganzes. Eine doppelte Herausforderung: vom Platz, von der Betreuung, von den Finanzen her …
Und da ist sie wieder, die Angst. Würden wir als vierköpfige Familie über die Runden kommen? Versicherungen und Immobilienmaklerei, das ist natürlich ein Stoßgeschäft, mal fällt mehr Arbeit an, mal weniger. Für meinen Mann scheint es allerdings nie viel zu tun zu geben. Kein Wunder eigentlich, dass kaum etwas dabei herauskommt. Ich bin ja schon froh, dass er sein Geld nicht versäuft. Spielt er vielleicht? Ich weiß es nicht! Er sagt mir einfach nichts. Ich muss jetzt endlich hinter sein Geheimnis kommen …
»Du, wir müssen heute unbedingt noch einkaufen, ich habe aber absolut nichts in der Tasche. Soll ich für dich zur Bank gehen, wenn du arbeiten bist?«
O Gott, war das plump und unüberlegt. Er lächelt großherzig.
»Schatz, du hast doch gar keine Kontovollmacht. Wenn ich wieder mal Zeit habe, gehen wir zusammen zur Bank und du kriegst eine, okay?«
So leicht würde ich ihn bei meinem nächsten Anlauf nicht davonkommen lassen.
»Also, wenn du Wohnungen an andere vermietest, da müsste doch auch für uns mal was dabei sein.«
»Natürlich, sobald mein geschäftlicher Engpass überwunden ist!«
Der Engpass dauerte nun schon ein ganzes Jahr! Ich versuchte ihm von allen möglichen Seiten her beizukommen. Aber stets doch so, dass er sein Gesicht wahrte. »Gesicht wahren« ist eine der am stärksten emotional besetzten Seelenzonen des türkischen Mannes, und ich befand mich innerlich immer noch in der Zange von Dankbarkeit und Schuldgefühl. Das setzte mich zusätzlich unter Druck, neben unseren wirtschaftlichen Problemen. Die wurden immer kritischer, je näher der Geburtstermin rückte. Und jetzt schlug er mir auch noch einen Herzenswunsch ab! Ich würde nicht auf Hatices Hochzeit dabei sein …
Ich durfte mich, auch im Interesse der Kinder in meinem Bauch, nicht mehr auf ihn allein verlassen. Also nahm ich einen Job als Aushilfe in einem Friseursalon an. So konnte ich etwas zu unserem Lebensunterhalt beitragen. Aber auch zusammen mit dem Geld, das Bekir in unregelmäßigen Abständen nach Hause brachte, reichte es oft nicht zu mehr als zu Brot von gestern und Margarine. Miete brauchten wir bei Schwager und Schwägerin zum Glück keine zu bezahlen. Diese guten Leute!
Während des bereits geschilderten Telefonats mit meiner Schwester war ich nicht dazu gekommen, ihr von meiner Zwillingsschwangerschaft zu erzählen. Wir telefonierten jetzt zwar wieder in unregelmäßigen Abständen miteinander, aber sie war so in ihre eigenen Probleme eingesponnen,
dass ich mich nicht traute, ihr auch noch mit den meinen zu kommen.
Aber ich musste jetzt dringend einmal jemandem mein Herz ausschütten! In meiner Not beschloss ich, einer guten Freundin einen Brief zu schreiben: Yasemin, einer Cousine von Aynurs Ehemann. Sie würde mich sicher
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