Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
verstehen. Sie lebte in Istanbul ein Leben, wie ich es mir immer erträumt hatte: unverheiratet, unabhängig, in einer schönen eigenen Wohnung. Mit einem guten Gehalt, dank ihres Jobs als Reiseleiterin.
An einem Montag, dem freien Tag der Friseure, setze ich mich an den Tisch in unserem einzigen Zimmer und schreibe einen langen Brief.
Liebe Yasemin,
lange habe ich nichts mehr von Dir gehört. Wahrscheinlich bist Du wieder irgendwo auf der Welt unterwegs. Geht es Dir gut? Ich hoffe, doch sehr. Bei dem Leben, das Du führst, kann es einem doch nur gut gehen!
Ich schreibe Dir heute aus einem eher traurigen Anlass. Ich stecke in einer Lebenssituation, die alles andere als positiv ist. Und davon möchte ich Dir berichten. Bitte verzeih mir, dass ich Dich ein wenig als Seelenmülleimer benutze, aber ich muss mich jemandem anvertrauen!
Ich nehme an, Du hast noch nicht mitbekommen, dass ich verheiratet bin? Ich habe seit Monaten so gut wie keinen Kontakt mehr zu meiner Familie. Ich fürchte, mein Name darf zu Hause gar nicht mehr ausgesprochen werden, weil ich mich in ihren Augen so schlimm
benommen habe. Ich gelte als das schwarze Schaf der gesamten Sippe …
Na ja, Fakt ist: Ich bin verheiratet. Mit einem Mann, dem ich zwar zugetan bin und dem ich eine gute Frau sein möchte. Aber ich liebe ihn nicht. Er ist ein netter Mensch, aber ich brauche mir nichts vorzumachen: Es ist nicht die große Liebe. Von einer rosigen Zukunft kann auch nicht gerade die Rede sein. Mein Mann ist zwar lieb zu mir, aber er ist eben auch sehr bestimmend. Er erwartet von mir, dass ich tue, was er für richtig hält. Als gute Ehefrau bin ich auch bemüht, ihm zu gefallen und ihn zu ehren. Glücklich bin ich dabei aber nicht. Wieder bin ich unfrei, bin fremdbestimmt. Ich beneide Dich so um Dein freies Leben!
Wir sind fürs Erste bei der Familie meines Schwagers untergekommen. Das alles wäre ja noch auszuhalten, aber nun kommt’s: Ich bin mit Zwillingen schwanger! Und wir haben so gut wie kein Geld. Kannst Du Dir das vorstellen, liebste Yasemin? Ich bin total verzweifelt deswegen. Was soll ich nur tun?! Mein derzeitiges Leben ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich mir erhofft habe.
Vielen lieben Dank fürs Zuhören. Es hat mir gutgetan, mir meinen Kummer von der Seele zu schreiben. Alles Liebe und bis hoffentlich bald einmal
Ayşe
Der Briefumschlag liegt zugeklebt, adressiert und frankiert in meiner Handtasche. Ich befinde mich schon auf dem Weg nach draußen, um ihn einzuwerfen. Aber was ist denn
das? Da steht Bekir - und was hält er in der Hand? Meinen Brief!
Mir bleibt fast das Herz stehen. Dunkelrot vor Scham beobachte ich sein Gesicht. Meine intimsten Seelengeheimnisse! Ich möchte am liebsten sterben in dieser Sekunde. Seine Miene verfinstert sich mit jeder Zeile, die er liest, mehr und mehr. Jetzt zerreißt er den Brief und wirft mir die Fetzen vor die Füße.
»Das also ist deine Wahrheit! Dann weiß ich wenigstens, woran ich bin.«
Vor Empörung zitternd steht er vor mir, sein Gesicht eine einzige erbitterte Anklage.
»Ich bekomme Zwillinge von einer Frau, die mich nie geliebt hat.«
In diesem Moment knicke ich wieder einmal ein. Vor einem Mann, der es immer wieder versteht, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Zutiefst erschrocken, voller Verzweiflung kann ich nur um Gnade winseln.
»Nicht doch, Bekir! Ich wollte doch nur mal jemandem mein Herz ausschütten. Versteh doch, die Schwangerschaft! Unsere miesen Finanzen! Da muss sich eine Frau doch Sorgen machen!«
Er bleibt unzugänglich, steht mit verschränkten Armen da und starrt mit mahlenden Kiefern zum Fenster hinaus. Und jetzt sage ich den Satz, der wohl alles kaputt gemacht hat, was zwischen uns noch heil war. Falls es da überhaupt noch etwas gegeben haben sollte.
»Ich mag dich, du bist doch mein Ehemann.«
Da war es also meinem Munde entschlüpft. Schriftlich hatte er es ja schon. Ich mag dich - das war die feingeraspelte
Form des kantigen Ich liebe dich nicht . Er nimmt die Möglichkeit, mich auf die Anklagebank zu setzen, nur zu gern an.
»Da ist es endlich raus«, presst er hervor.
Er macht ein Gesicht, als müsse er gleich in Tränen ausbrechen. Er, der sich so gleichgültig gezeigt hat, wenn es darum ging, seine Liebe zu beweisen. Ja, er versteht es wirklich glänzend, die Enden meiner Gewissensnerven zu polieren, dieser Mann. Ich rieche, ich sehe, ich fühle, dass er unser gemeinsames Problem jetzt als Melodram zelebriert. Damit er als das
Weitere Kostenlose Bücher