Freiheit statt Kapitalismus
noch zu erhöhten Zinssätzen am Markt platzieren zu können. Eine Zinserhöhung um nur 1 Prozentpunkt erhöht die Zinskosten allein des Bundes derzeit um 8,8 Milliarden Euro pro Jahr.
Und Zinssprünge noch weit größeren Ausmaßes sind spätestens dann wahrscheinlich, wenn sich politische Konstellationen ergeben, die einen grundlegenden Politikwechsel möglich machen, also genau dann, wenn der politische Versuch einer radikalen Umverteilung der Einkommen und einer Neugestaltung der Eigentumsordnung unternommen wird. Eskalierende Zinszahlungen und Refinanzierungsprobleme könnten derartige Vorhaben dann sehr schnell zum Erliegen bringen.
Vierte Variante: Lassen sich die Altschulden durch höhere Steuern reduzieren?
Bleibt als vierte Variante, nicht nur die Neuverschuldung durch eine bessere Steuerpolitik zu minimieren, sondern auch die Altschulden durch Steuern abzutragen. Das ist denkbar. Allerdings besteht das Problem darin, dass die Veränderungen im Steuersystem eigentlich die Aufgabe haben sollten, durch Umverteilung von oben nach unten der Mehrheit der Menschen bessere Lebensverhältnisse zu ermöglichen und volkswirtschaftlich eine höhere Nachfrage abzusichern. Höhere Steuern auf Spitzeneinkommen und Vermögen, die für die Schuldentilgung verwandt werden, fließen – als Ausgleich für die Staatstitel – letztlich an die Besitzer dieser hohen Vermögen zurück. Möglich wäre es allenfalls, eine so harte Substanzbesteuerung von Vermögen und Erbschaften einzuführen, dass dadurch tatsächlich Luft aus der Vermögensblase herausgelassen wird.
Aber man muss sich im Klaren darüber sein, um welche Dimension es sich dabei handelt: Von 1998 bis 2010 sind die deutschen Staatsschulden um fast 1 Billion Euro angestiegen. Allein in den Tresoren der HRE beziehungsweise ihrer Bad Bank schlummern noch fast 200 Milliarden Euro zweifelhafter Papiere, für die der deutsche Staat geradesteht. Diedem gegenüberstehenden fast 2 Billionen Euro Zugewinn auf den Geldvermögenskonten der deutschen Oberschicht wurden bereits erwähnt. Zum Vergleich: Eine Belastung von Privatvermögen, die eine Million Euro übersteigen, mit einer Vermögenssteuer von 5 Prozent würde im Jahr 80 bis 100 Milliarden zusätzlicher Einnahmen bringen. Wenn die Einnahmen aus dieser Steuer für nichts anderes verwandt würden als zum Abtragen der Staatsverschuldung, würde das bei Nullzinsen mehr als zwanzig Jahre dauern. Und es gibt natürlich keine Nullzinsen. Zudem sollte man sich über die bei massiver Substanzbesteuerung einsetzenden Ausweichreaktionen im Klaren sein.
Eine denkbare Variante scheint dann schon eher eine einmalige Vermögensabgabe zur Abschöpfung der Vermögen der oberen Zehntausend bei gleichzeitiger Tilgung eines Großteils der Staatsschulden zu sein. Das könnte funktionieren, ist aber ein ähnlich gravierender Eingriff wie die Streichung der Schulden. Die Vermögensabgabe unterscheidet sich von der Schuldenstreichung eigentlich nur dadurch, dass bei Ersterer ausschließlich die Reichen im Inland zur Kasse gebeten werden, während eine Schuldenstreichung zu erheblichen Teilen auch ausländische Anleger träfe. Werden solche Maßnahmen allerdings im gesamten Eurogebiet durchgeführt, relativiert sich dieser Unterschied.
Fünfte Variante: Entwertung der Schulden durch Inflation
Eine fünfte Variante wurde historisch schon mehrfach erprobt: Inflation. Inflationen entwerten Vermögens- und Schuldenblasen, aber sie sind trotzdem kein empfehlenswerter Weg. Denn eine Inflation, ähnlich wie ein Crash der Finanzmärkte, belastet vor allem die Mittelschichten, die ihre Sparguthaben verlieren, während die wirklich Reichen ihr Vermögen zwischen Geldvermögen, Betriebsvermögen, Immobilienvermögen, zusätzlich oft Gold und Kunst aufgeteilt haben. Sie können daher selbst einen völligen Wertverlust des Geldes bestens verkraften, während Otto Normalverbraucher seine mühsam zusammengetragenen Ersparnisse verliert. Inflation ist zudem in der Regel schlimm für die Bezieher von Renten und Sozialleistungen.
Ein solches Szenario bedeutet daher, dass es wieder einmal die Falschen wären, die für die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen der letztenJahrzehnte zu bluten hätten. Hinzu kommt, dass Inflation die Vermögens- und Schuldenblase natürlich auch nur dann entwertet, wenn die Zinsen niedrig bleiben. Steigen die Zinsen rapide an, sinkt zwar die Last der Altschulden, aber ihre Refinanzierung wird dafür umso teurer. Verlieren
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