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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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werden dann nur diejenigen, die ihr Geld langfristig angelegt haben. Wer viel in seiner kurzfristigen Spekulationskasse hält, ist fein raus.
    Sechste Variante: Abkoppelung der Staatsschulden von den Kapitalmärkten
    Eine sechste Variante ist die Abkoppelung der öffentlichen Finanzen von den Kapitalmärkten und die Finanzierung der öffentlichen Defizite durch niedrigverzinste bzw. zins- und tilgungsfreie Direktkredite der Europäischen Zentralbank. Das würde faktisch bedeuten, dass Zentralbankgeld über öffentliche Ausgaben statt über das Kreditgeschäft der Banken in Umlauf gebracht wird. Die Kreditspielräume der Banken würden sich dadurch nicht verringern, denn das Geld, das sie heute von der Zentralbank erhalten, flösse ihnen dann eben durch die Einlagen des Staates beziehungsweise die der Empfänger staatlicher Ausgaben zu.
    Für die Staaten hätte das zur Folge, dass auf die Neuverschuldung nur noch geringe oder gar keine Zinsen mehr zu zahlen wären. Mindestens ebenso wichtig wäre, dass die öffentlichen Finanzen berechenbarer würden und die Abhängigkeit von den Banken schwindet. Möglich und kurzfristig regelbar wäre eine solche Umstellung durch eine Änderung der europäischen Verträge und des EZB-Statuts.
    In der ökonomischen Debatte wird gegen die Notenbankfinanzierung von Staatsschulden in der Regel eingewandt, dass das die Inflation anheizen würde. Dahinter steht die Annahme, dass private Banken bei ihrer Kreditgewährung genauer hinsehen, ob der Kreditnehmer zahlungsfähig bleibt, während der Notenbank als öffentlicher Institution verantwortungslose Kreditausweitung unterstellt wird. Dieses Argument sollte sich angesichts des privaten Kreditrauschs der letzten 15 Jahre eigentlich erledigt haben. Die modernen Finanzmärkte haben ihre Unfähigkeit zu einer im mindesten realistischen Risikoeinschätzunghinlänglich unter Beweis gestellt und mit der Vermögens- und Schuldenblase eine aufgestaute Inflation gigantischen Ausmaßes produziert. Im Unterschied zu dieser hätten Direktkredite der Notenbank an den Staat den Vorteil, dass eine zu lasche Geldpolitik viel schneller in steigenden Preisen ihren Niederschlag fände und daher auch schneller wieder korrigiert werden könnte.
    Natürlich gibt es die historischen Beispiele exzessiver Notenbankkredite, die in Hyperinflation mündeten. Aber tatsächlich lag die Wurzel der Probleme in den meisten Fällen woanders, nämlich in eskalierenden Zahlungsansprüchen, die am Ende durch die Notenpresse bedient wurden. Entscheidend wäre ohnehin, dass der Umfang der Direktkredite bestimmten Regeln unterliegt (also z. B. im Abschwung deutlich höher ist als in einem Konjunkturaufschwung) und nicht nach Wunsch und Laune vom Finanzminister festgesetzt werden kann.
    Die Notenbankfinanzierung würde gewährleisten, dass öffentliche Finanzen nicht länger ein renditeträchtiges Geschäfts- und Spekulationsobjekt privater Banken wären. Das wäre auch ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der Demokratie. Denn eine Situation, in der das Urteil der Finanzkonzerne über die Politik eines Landes sich in milliardenschweren Belastungen (oder auch Entlastungen) der öffentlichen Hand geltend macht, entzieht, wie gezeigt, demokratischer Politikgestaltung jede Grundlage. Gerade wer Chancen für eine Politik eröffnen möchte, die sich nicht den Wünschen der globalen Profitlobby unterwirft, sollte großes Interesse an einer solchen Unabhängigkeit haben. Eine Politik zur Umgestaltung der Eigentumsordnung etwa dürfte auf dem internationalen Finanzparkett wenig Freunde finden – mit allen Konsequenzen.
    Die Staatsschulden von den Kapitalmärkten zu entkoppeln, wäre daher ein Schritt in die richtige Richtung. Der große Vorteil einer Direktfinanzierung durch die Notenbank wäre, dass der Staat jedes Jahr in einer gewissen Größenordnung mehr ausgeben als einnehmen kann, ohne dass sich daraus künftige Schulden oder die Pflicht zu Zinszahlungen ergeben. Es gibt keinen Grund, weshalb ein solches System inflationstreibender sein sollte als das heutige. Jedes Wachstum beruht auf Kredit, der Unterschied zu heute wäre nur, dass daszusätzliche Geld über den Staat statt über die Banken in Umlauf käme.
    Aber was bedeutet das für die schon vorhandenen Schulden der Staaten, die sogenannten Altschulden, die ja am Ende der Laufzeit auch immer wieder refinanziert werden müssen? Theoretisch könnte die EZB natürlich auch die Refinanzierung der Altschulden übernehmen.

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