Freiheit statt Kapitalismus
Schon heute kauft sie vorhandene Staatsbonds am Markt auf, und denkbar wäre natürlich, dass der Staat sich die für die Refinanzierung der Altschulden bei Fälligkeit nötige Summe dann bei der EZB beschafft und so die staatlichen Gesamtschulden schrittweise auf die Zentralbank übertragen werden. Oder auch, dass die EZB sämtliche Staatsbonds vom Markt aufkauft. Das Problem einer solchen Lösung wäre, dass die Vermögensblase so eben nicht entwertet würde, sondern in vollem Umfang bestehen bliebe, nur dass die Finanzkonzerne eine Anlagemöglichkeit weniger für diese Vermögen hätten. Das würde die ohnehin schon vorhandene Situation eines Überhangs an Liquidität, die nach lukrativen Anlagemöglichkeiten sucht, zusätzlich verschärfen und dürfte zu neuen Kredit- und Spekulationsblasen führen. Das wäre also keine gute Lösung.
Siebente Variante: Streichung der Altschulden
Der einzige nachhaltige Ausweg aus den Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte ist die politisch kontrollierte Entwertung der Vermögens- und Schuldenblase durch Streichung der alten Staatsschulden, und zwar möglichst in einer konzertierten Aktion in der gesamten Eurozone oder vielleicht sogar der Gesamt-EU. Der Gedanke, dass die Staatsschulden im Euroraum zumindest von einigen Ländern nicht mehr dauerhaft bedient werden können, ist mittlerweile nicht mehr undenkbar, sondern offizieller Bestandteil der politischen Diskussion.
Aus diesem Grund wird neuerdings über ein internationales Insolvenzrecht für Staaten diskutiert. In diesem Kontext sollen auch spezielle Risikobonds geschaffen werden, deren Ausfallrisiko dann in höheren Zinsen eingepreist wird. Eine solche Regelung würde die Zinslasten gerade der gefährdeten Länder noch mehr erhöhen, als es ohnehin schon der Fall ist, denn die vorhandenen Schulden würden dannimmer stärker durch solche Risikobonds ersetzt. Dass die deutsche Bundeskanzlerin zu den treibenden Kräften eines solchen Verfahrens gehört, ist durchaus nicht selbstlos. Je risikoreicher die Bonds anderer Staaten, desto mehr würde sich die Nachfrage nach sicheren Anlagen auf deutsche Staatsanleihen konzentrieren, desto niedriger daher die Zinsen, die die Bundesrepublik auf ihre Schulden zu zahlen hätte.
Deutschland wäre also kurzfristig der Profiteur einer solchen Regelung. Längerfristig allerdings wird niemand profitieren, denn die steigenden Zinsen dürften in den betroffenen Ländern den Zusammenbruch beschleunigen und seine Dramatik verschärfen. Am Ende wird es sich dann auch als Illusion erweisen, die Altgläubiger bei einer Schuldenstreichung zu verschonen. Wenn allerdings der deutsche Staat den deutschen Banken erneut Milliardenlasten abnehmen muss, weil faul gewordene Griechenland-, Irland- oder Spanien-Anleihen sie in den Bankrott zu treiben drohen, dürfte die Freude über sinkende eigene Zinsen von kurzer Dauer gewesen sein. Denn auch mit niedrigen Zinssätzen treibt die explodierende Staatsverschuldung dann die Zinskosten in die Höhe. Und irgendwann ist auch für die Schulden des deutschen Staates das Ende der Fahnenstange erreicht.
In Wahrheit ist die ganze Debatte über ein Insolvenzrecht für Staaten Augenwischerei. Die Banken haben mit den Staatsschulden in den vergangenen Jahrzehnten Billionen verdient. Sie verdienen zurzeit im Besonderen an ihrer eigenen Rettung, denn genau die hat ja die Verschuldung in vielen Ländern vervielfacht. Zinsen sind auf den Kapitalmärkten der Preis für Risiko. Dafür braucht es keiner speziellen Risikobonds. Wer eine Anleihe kauft, ganz gleich ob von einem Unternehmen oder von einem Staat, muss ein gewisses Ausfallrisiko einkalkulieren. Zumal die internationale Geschichte der Schuldenkrisen zeigt, dass die Streichung alter Staatsschulden kein seltenes, sondern das wahrscheinlich meistgenutzte Mittel der Politik ist, sich die Hinterlassenschaften ihrer Vorgänger vom Hals zu schaffen.
Eine der letzten großen Umschuldungsaktionen war die von Argentinien. Nachdem die eskalierenden Dollarschulden das Land immer tiefer in eine wirtschaftliche Katastrophe hineingetrieben hatten, entschied die Regierung Duhalde 2002, die Bedienung der Schulden einzustellen.Die ihr nachfolgende Regierung unter Néstor Kirchner handelte mit den Gläubigern eine Umschuldung aus, die Abstriche vom Nominalwert der alten Staatsbonds von bis zu 75 Prozent durchsetzte. Die Schuldenstreichung war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die wirtschaftliche Erholung des
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