Freiheit statt Kapitalismus
Kapitalmarkt.
Anders als mancher führende Gewerkschafter hatte die
Frankfurter Allgemeine Zeitung
bereits im Jahr 2000 diese Grundfrage begriffen und feierte Riesters Renten-Untat mit den Worten:
»Es geht nicht um den Prozentwert eines aus dem fernen Dunst des Jahres 2030 herausscheinenden Rentenniveaus, es geht um einen tiefen Schnitt in das gewohnte Paradigma der Sozialpolitik.«
Mit diesem Schnitt waren die Dämme gebrochen. In der Folgezeit jagte eine Rentenreform die nächste. Mehrfach wurde die Bezugsgröße der Rente geändert, indem aus den Löhnen immer größere Beträge herausgerechnet wurden, um selbst im Falle steigender Beschäftigteneinkommen die Renten klein zu halten. Ein demographischer Faktor wurde eingeführt und etwas später durch den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor ersetzt. Beide hatten ausschließlich den Zweck, die Entwicklung der gesetzlichen Rente noch weiter von der Lohnentwicklung abzukoppeln. Die Rentenbeiträge für Arbeitslose wurden kleingeschrumpft. Darüber hinaus wurde den Rentnern eine Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung aufgebrummt und die Besteuerung der Renten beschlossen. Die vorerst letzte große Missetat im Rententrauerspiel war die von Müntefering durchgesetzte Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre. Damit schwindet der gesetzliche Rentenanspruch pro Beitragsjahr weiter. Wer vor 67 in Rente geht, muss saftige Abschläge verkraften.
Durch all diese Maßnahmen wurde einerseits der Lebensstandard der bereits verrenteten Senioren abgesenkt. Noch stärker aber spüren diejenigen die Folgen, die neu in Rente gehen. Nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung erhielt ein gesetzlich Versicherter, dessenRuhestand 2007 begonnen hatte, bis zu 14,5 Prozent weniger Rente als einer, der unter gleichen Voraussetzungen im Jahr 2000 das Rentenalter erreicht hatte. Und das, obwohl sehr viele Reformen noch gar nicht voll wirksam sind. Erst die Generation der 1964 Geborenen etwa wird die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre in ganzer Brutalität zu spüren bekommen.
Dass all die genannten Maßnahmen das Niveau der gesetzlichen Rente drastisch verringern, sollte nicht nur niemanden überraschen; es war der erklärte Sinn der Übung. Schon im März 2006 hatte die Bundesregierung in ihrem Rentenversicherungsbericht ausgerechnet, dass das Rentenniveau des »Standardrentners« bis 2030 auf 43 Prozent des Nettolohns absinken würde. Der nächste Rentenklau, die Rente mit 67, war in voller Kenntnis dieser Zahlen beschlossen worden.
Senioren in Armut
Die verheerenden Folgen für das gesetzliche Rentenniveau liegen mittlerweile auf der Hand. Seit 2003 haben sich die Ausgaben für die Grundsicherung, die Senioren mit Renten unterhalb des Hartz-IV-Niveaus bekommen, mehr als verdreifacht. Noch düsterer ist der Ausblick für die Zukunft. Ab 2030 etwa wird ein Durchschnittsverdiener selbst nach 30 langen Beitragsjahren nicht über das Elendslos besagter Mindestrente von 660 Euro (in heutiger Kaufkraft gerechnet) hinaus sein. Wer nur 2000 Euro brutto verdient, darf für eine Rente auf diesem Level sogar 38 Jahre malochen. Niedrigverdiener können bis zum Umfallen einzahlen und kommen nie auf eine Rente oberhalb des Armutsniveaus. Entsprechend schätzt der Sozialverband Deutschland, dass mindestens 35 Prozent der heute Beschäftigten auf eine Rente unterhalb der Grundsicherung zusteuern. Im Osten Deutschlands soll dieses Schicksal sogar mehr als der Hälfte aller Erwerbstätigen blühen.
Diese Zahlen bedeuten klipp und klar: Die gesetzliche Umlagerente im Sinne einer auch nur annähernd vor Altersarmut schützenden Institution ist tot. Alles, was der Staat noch bietet, ist eine Minimalversorgung auf unterstem Niveau. Wer seinen Ruhestand einigermaßen menschenwürdig genießen möchte, muss massiv privat vorsorgen – wenn er es kann. Rürups Vorschlag, die private Vorsorge nicht mehr auf dieGrundsicherung anzurechnen, lag ganz in der Logik dieses Systemwechsels.
Das europäische Land, in dem ein solches privatisiertes Rentensystem bei staatlicher Minimalversorgung in reinster Form existiert, ist Großbritannien. Es ist kein Zufall, dass es ebenfalls die Briten sind, die in puncto Altersarmut im europäischen Vergleich mit den erschreckendsten Zahlen aufwarten. Allerdings dürften sie in Bälde Konkurrenz bekommen. Bereits Mitte 2007 hatte die OECD öffentlich moniert, dass das deutsche Rentensystem nicht ausreichend gegen drohende Altersarmut gewappnet ist. Bei den
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