Freiheit statt Kapitalismus
die europäischen Millionäre und Multimillionäre Ende 2010 ein Finanzvermögen von 10,2 Billionen Dollar, also fast so viel, wie die gesamten EU-Staaten an Schulden haben. Millionärsvermögen und Staatsschulden sind über die vergangenen 20 Jahre weitgehend im Gleichschritt gewachsen und haben beide im Krisenjahr 2009 einen besonders großen Sprung nach oben gemacht. Das ist die Vermögensblase, die der Schuldenblase gegenübersteht. Aus beiden muss die Luft raus, damit die Wirtschaft wieder ordentlich funktionieren und der Normalbürger wieder menschenwürdig leben kann.
Bei einem solchen Entschuldungsszenario würden also nicht die Mittelschichten, sondern ausschließlich Millionäre und Multimillionäre einen Großteil ihrer Finanzvermögen verlieren. Es träfe nicht die, die gespart, sondern die, die geerbt oder gezockt oder beides haben. Bei einem unkontrollierten Crash dagegen, auf den die EU sich längst vorbereitet, sollen gerade mal 100 000 Euro pro Person abgesichert werden. Wer mehr als 100 000 Euro auf Bankkonten liegen hat, würde also nach dem Willen der EU einen Großteil seiner Ersparnisse verlieren. Schon diese Relation zeigt, wie perfide es ist, eine kontrollierte Schuldenstreichung als »Enteignung der Ersparnisse der Bürger« zu verdammen. Sie ist in Wahrheit der einzige Weg, eine Enteignung der echten Ersparnisse zu verhindern.
Illegitime Schulden
Schauen wir uns die Geschichte der Staatspleiten genauer an, wird eines deutlich: Letztlich geht es gar nicht um die Frage, ob die öffentliche Hand zahlungsfähig oder bankrott ist. Es geht um die Frage, ob sie zahlungsfähig bleiben
will
, ob es also politisch vertretbar ist, der großen Mehrheit der Menschen auf unabsehbare Zeit einen Schuldenberg auf die Schultern zu laden, der auf Jahrzehnte wirtschaftlicher Fehlentwicklungen zurückgeht, von denen sie weder profitiert haben noch dafür Verantwortung tragen.
Es wurde oft kritisiert, dass lateinamerikanische Länder, als sie nach Jahren der Militärdiktatur endlich zu demokratisch verfasstenStaaten wurden, die Schulden dieser Militärdiktaturen anerkannt und übernommen haben, statt sie zu streichen, wie es etwa das revolutionäre Frankreich 1789 mit den Schulden der Monarchie getan hatte. In vieler Hinsicht war mit der Annahme der Schuldenlast der spätere Niedergang vorgezeichnet. Auch der argentinische Leidensweg, der in den Hungerrevolten der Jahrtausendwende gipfelte, geht in seinen Anfängen bis in die Jahre der Militärdiktatur zurück. Natürlich kann die politische Entscheidungsfindung in den heutigen Industrieländern nicht mit der in Militärdiktaturen gleichgesetzt werden. Dennoch: Die heutigen Staatsschulden sind das Ergebnis einer Finanzdiktatur und einer jahrelangen Politik gegen die Mehrheit der Menschen. Sie sind daher ebenso illegitim wie die Hinterlassenschaften der südamerikanischen Diktatoren.
Fazit
Es gibt einen Ausweg aus dem Schuldenmorast, in dem die heutige Politik so hilf- und konzeptionslos herumwatet. Dieser Ausweg besteht aus einem Bündel von Maßnahmen, die zusammengehören und von denen keine fehlen darf. Er beinhaltet, erstens, die Streichung der Altschulden der EU-Staaten. Ausgenommen bleiben sollte nur jener Teil der Schuldtitel, der von Kleinanlegern gehalten wird. Der Ausweg beinhaltet, zweitens, die Verstaatlichung der großen Finanzkonzerne, womit zwar auch die sonstigen faulen Kredite in ihren Bilanzen auf die öffentliche Hand übergehen, aber eben auch ihre werthaltigen Forderungen. Die Finanzinstitute sind danach mit öffentlichem Geld zu rekapitalisieren, wobei der Staat sich die nötigen Mittel, drittens, durch eine einmalige Vermögensabgabe auf sehr hohe Vermögen bei den Millionären und Multimillionären holen sollte.
Damit die Schuldenspirale nicht von neuem beginnt, gehört zu dem Ausweg, viertens, eine radikale Umverteilung der Einkommen von oben nach unten, um den Staat aus der Verantwortung zu entlassen, fehlende private Nachfrage immer wieder durch kreditfinanzierte Staatsausgaben ausgleichen zu müssen. Unerlässlich ist auch eine solide Steuerpolitik, um den Staat mit den Einnahmen auszustatten, die er braucht, um seine Aufgaben zu erfüllen. Die wegfallenden Zinszahlungenwürden dabei allerdings erhebliche Freiräume schaffen. Soweit staatliche Defizite dann noch für besondere Investitionsausgaben oder zwecks konjunkturellen Gegensteuerns notwendig sind, sollte, fünftens, die Möglichkeit einer Direktfinanzierung
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