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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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Renten für Geringverdiener schneide die Bundesrepublik im internationalen Vergleich mit am schlechtesten ab.
    Der Demographie-Mythos
    Trübe Aussichten, zu denen von Politik wie Finanzlobby gebetsmühlenartig eine einzige verheißungsvolle Alternative propagiert wird: verstärkte private Vorsorge. Dass die Werbung für eine private Riester-Rente angesichts sinkender Löhne und eines florierenden Hungerlohnsektors für viele Arbeitnehmer der blanke Hohn ist, weil sie sich das Zusatzsparen schlicht nicht leisten können, wurde bereits oft und zu Recht kritisiert. Aber ist die private Vorsorge überhaupt eine sinnvolle Alternative? Existiert es tatsächlich, das »demographische« Rentenproblem, mit dem die politisch betriebene Seniorenverarmung so wortreich begründet wird?
    Weil immer weniger Junge immer mehr Ältere zu ernähren hätten, sei das Umlagesystem nicht mehr zeitgemäß, so die bekannte Argumentation. Zu den gern zitierten Zahlen in diesem Kontext gehört folgende: Während im Jahr 2000 jeder Erwerbstätige genau 1,1 Nichterwerbstätige miternährt hat, werden es 2050 1,6 Nichterwerbstätige sein. Suggeriert werden soll mit solchen Zahlen: Jeder Arbeitende hat in Zukunft immer mehr Münder zu stopfen und sollte sich daher nicht wundern, wenn weniger für ihn und für diese übrig bleibt. Was dabei gern verschwiegen wird, ist, dass die Abhängigenquote, also das Verhältnis von Nichtarbeitern zu Arbeitenden, noch im Jahre 1975 wegen der größeren Kinderzahl weit höher war als heute. Die damalige Relation wirdfrühestens im Jahr 2022 übertroffen werden. Um diesen Vergleich gar nicht erst aufkommen zu lassen, wird oft ausschließlich auf die Relation Rentner zu Erwerbstätigen Bezug genommen. Aber nicht nur ältere, auch kleine Münder möchten satt werden.
    Auch unabhängig von dieser Manipulation ist die Geschichte vom darbenden Bäcker, der seinen Kuchen mit immer mehr unproduktiven Essern teilen muss, ein Mythos, der auf zwei ziemlich unsinnigen Annahmen beruht: Erstens wird vorausgesetzt, dass der Kuchen, den jeder Backmeister zu Markte trägt, in 50 Jahren nicht größer sein wird als heute. Und zweitens wird angenommen, dass der Anteil der Bäcker an den Jahrgängen im erwerbsfähigen Alter ein für alle Mal konstant bleibt. Weder die eine noch die andere Annahme lässt sich vernünftig begründen.
     
    Die statistische Größe, die den Umfang des Kuchens pro Bäcker misst, ist die Arbeitsproduktivität. Diese Produktivität ist seit 1960 in der Bundesrepublik im Schnitt um 2,5 Prozent jährlich gewachsen. Selbst wenn wir annehmen, dass dieses Wachstum sich auf nur noch 1 Prozent verlangsamt, kann bei dem derzeit absehbaren Wandel in der Altersstruktur der Bevölkerung in 50 Jahren immer noch jeder Esser – ob jung, ob alt – ein um 12 Prozent größeres Tortenstück verdrücken.
     
    Steigt die Produktivität im Schnitt um 2 Prozent, steht jedem sogar ein Drittel mehr zur Verfügung. Und bei dieser Rechnung ist vorausgesetzt, dass die Arbeitslosigkeit so hoch bleibt, wie sie heute ist. Würden zusätzlich mehr Menschen die Möglichkeit erhalten, sich am Kuchenbacken zu beteiligen, sähen die Zahlen noch einmal besser aus. Die Behauptung, die demographische Veränderung würde eine armutssichere umlagefinanzierte Rente obsolet machen, ist also eine dummdreiste Lüge.
    Im Übrigen gibt es auch keinen Grund für die Annahme, dass in einem System, in dem jeder für sich selbst vorsorgt, am Ende mehr verteilbar sein sollte als in einem umlagefinanzierten. Wäre die demographische Rentenlüge wahr, träfe sie in gleicher Wucht die kapitalgedeckte Rente. Denn der Lebensstandard der Rentner muss unter allen Umständen aus dem laufenden Bruttosozialprodukt erwirtschaftet werden.Niemand will im Alter Zinsgutschriften essen, er will Brot, Fisch und Fleisch verspeisen, guten Wein genießen, warme Kleider tragen, feine Restaurants aufsuchen, die Welt bereisen. Werden solche Leistungen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung gestellt, erweist sich die schönste Vorsorgepolice als inflationär entwertete Luftnummer.
    Profiteure des Rentenklaus
    Es geht also nicht um Demographie, es geht um Interessen. Die Privatisierung der Alterssicherung hat drei große Profiteure: die Bezieher höherer Einkommen zum Ersten, die Unternehmen im Allgemeinen zum Zweiten und die Finanzkonzerne und Versicherer im Besonderen zum Dritten. Das sind die drei Interessengruppen, die in einem privatisierten Rentensystem nur gewinnen

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