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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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können und entsprechend rege Lobbyarbeit betrieben haben und betreiben.
    Die Besserverdienenden profitieren, weil sie die Umlagerente schlicht nicht brauchen. Wie bereits mehrfach erwähnt, wächst mit den Bezügen nicht nur der Sparbetrag, sondern auch der Anteil der Ersparnisse am Einkommen. Sparen ist ein Luxus, den man sich leisten können muss, und das können nur die, deren Grundbedürfnisse abgedeckt sind. Ebendeshalb sparen Haushalte mit weniger als der Hälfte des Durchschnittseinkommens in der Regel keinen Cent, sondern sind mehr oder minder verschuldet, während die Sparquote mit steigendem Einkommen immer mehr zunimmt. Wer wirklich viel hat, braucht weder die Riesterei noch die gesetzliche Rente, weil er auf eigene Rechnung genügend vorsorgen kann, und er ist daher zufrieden, wenn sein Beitragssatz möglichst niedrig bleibt.
    Die Unternehmen profitieren von der Zerstörung der umlagefinanzierten Rente, weil sie diese über die sogenannten »Arbeitgeberbeiträge«, also gesetzlich festgelegte Lohnbestandteile, mitfinanzieren müssen. Die private Vorsorge dagegen hat der Beschäftigte allein zu tragen. Der Zerstörungsfeldzug gegen die gesetzliche Rente wurde oft genug ausdrücklich damit begründet, dass ein weiteres Ansteigen der Rentenbeiträge verhindert werden müsse. Da es für den Beschäftigten finanziell keinen Unterschied macht, ob ein höherer Rentenbeitrag von seinem Bruttoeinkommen abgezogen wird oder selbige Summe inirgendeiner Riester-Police verschwindet, ist völlig klar: Bei dem ganzen Geschrei um die Rentenbeiträge ging es immer allein um die von den Unternehmen zu zahlenden. Genauer: Es ging um sinkende Löhne. Jeder Prozentpunkt, um den der Rentenbeitrag der Unternehmen gedeckelt werden kann, steht für Milliarden zusätzlicher Profite. Entsprechend engagiert hat die Wirtschaftslobby ihr Scherflein dazu beigetragen, den Mythos vom obsoleten Umlagesystem und von der Modernität privater Vorsorge in die Köpfe zu bringen.
    Die dritte Lobby, die Riesters Porträt eigentlich goldgerahmt in ihre Empfangsräume hängen müsste, ist die der Finanzkonzerne. Wie bereits erwähnt, ist die Verwaltung und renditeträchtige Anlage der privatisierten Ruhestandsgelder ein Riesengeschäft. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass der Anteil der Verwaltungsausgaben an den Einnahmen bei den privaten Fonds erheblich höher ist als im Fall der gesetzlichen Rentenversicherung. Wer privat vorsorgt, zahlt eben auch die Spitzengehälter der Fondsmanager mit. Aber es geht nicht nur darum. Den wichtigsten Punkt hat die
FAZ
im Oktober 2000 in ihrer Bewertung des Riester-Deals erwähnt: »Die Rentenreform ist ein positiver Liquiditätsimpuls für Aktien.« Da war gerade die Dotcom-Blase geplatzt und Liquidität konnten die großen Spieler im Aktiengeschäft sehr gut gebrauchen.
    Wer bekommt die Renten-Gelder?
    Das entscheidende Interesse besteht also darin, durch den weltweiten Trend zur Privatisierung der Altersvorsorge einen stetigen Zufluss an Liquidität auf die Finanzmärkte zu lenken und damit immer weiter steigende Kurse auf den eigentlich längst hoffnungslos überbewerteten globalen Vermögensmärkten abzusichern. So gehören die großen Pensionsfonds, insbesondere die amerikanischen und britischen, heute zu wichtigen Anlegern auf diesen Märkten und die in ihren Kassen versammelten Gelder haben durchaus zum Aktien- und Anleiheboom der zurückliegenden zwei Jahrzehnte beigetragen.
    Je mehr Länder ihre Altersvorsorge privatisieren, desto mehr Geld ist vorhanden, um die Kurse weiter in die Höhe zu treiben und den Crash hinauszuschieben. Aber irgendwann ist natürlich trotzdem Schluss, und dann kommt das böse Erwachen. Spätestens, wenn mehrPensionen tatsächlich ausbezahlt werden müssen, als Neuverträge hinzukommen, kann die privatisierte Altersvorsorge keine Stütze boomender Aktienmärkte mehr sein. Schlimmer noch: Wenn dann die Kurse fallen, könnten die schönen papiernen Versorgungsansprüche dahinschmelzen wie Eis in der Sommersonne.
     
    Eines ist klar: Das Geld bleibt auch bei der Privatrente nicht in den Händen der künftigen Rentner. Es wird immer weggegeben. Während bei der Umlagerente die Beschäftigten die jeweiligen Rentner finanzieren, finanzieren sie bei der kapitalgedeckten Rente vor allem die heutigen Aktienverkäufer und Finanzspekulanten. Während sie bei der Umlagerente ihr Geld dann von den künftigen Beschäftigten bekommen, müssen sie es sich bei der kapitalgedeckten

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