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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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so hoch wie das Wachstum der Lohnsumme in der betreffenden Wirtschaft. Stagnieren oder sinken die Löhne oder verringert sich die Zahl sozialversicherter Arbeitsplätze, sind per Umlage auch nur noch niedrigere Renten finanzierbar. Steigen dagegen die Löhne, sinkt die Arbeitslosigkeit und verringert sich die Anzahl der Billig- und Hungerlohnjobs, kann ein Umlagesystem auch in Zukunft anständige und sichere Renten finanzieren.
    Wovon hängt im Gegensatz dazu die Rendite eines kapitalgedeckten Rentensystems ab? Offensichtlich von den Kapitalerträgen, die in einem bestimmten Zeitraum von einem durchschnittlichen Portfolio akkumuliert werden können. Dabei ist die Summe aus Gewinn- und Vermögenseinkommen genau der Gegenpart zur Lohnsumme einer Wirtschaft. Je schlechter die Lohnentwicklung, desto größere Teile des Volkseinkommens werden in Form von Zinsen, Dividenden und Unternehmereinkommen eingestrichen, desto höher sind also im Schnitt die Kapitalerträge. Die künftigen Rentner können daher bei einer kapitalgedeckten Rente genau dann mehr Rente bei gleichen Beiträgen erwarten als in einem Umlagesystem, wenn der Kapitalmarktzins höher ist als die Wachstumsrate der Lohnsumme (und zwar so viel höher, dass erauch die deutlich höheren Kosten einer Privatrente in Form der Gebühren und Provisionen der Finanzindustrie kompensiert).
    Die These, dass die »Rendite« der Umlagerente schlechter sei als die einer kapitalgedeckten, enthält daher eine konkrete Annahme über die künftige Einkommensverteilung. Es wird vorausgesetzt, dass die Umverteilung zulasten der Arbeit und zum Vorteil des Kapitals immer weitergeht: es also noch mehr Billigjobs gibt, die Reallöhne weiter sinken, eventuell auch die Arbeitslosigkeit weiter ansteigt.
    Das entspricht der Entwicklung der letzten Jahrzehnte, und speziell die SPD hat sich nach erfolgter Zerschlagung der gesetzlichen Rente mit Hartz IV, der Liberalisierung der Leiharbeit und anderen Lohndumpingverordnungen kräftig ins Zeug gelegt, diesen Trend zu verstärken. In den Jahren 1992 bis 2007 lagen die realen Kapitalmarktzinsen bei etwa 3 Prozent pro Jahr, während die reale Lohnsumme auf das Niveau des Jahres 1991 zurückfiel. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass das nicht immer so war. In den Siebzigern etwa lagen die Realzinsen ebenfalls bei ungefähr 3 Prozent, die reale Lohnsumme dagegen stieg um 5 Prozent pro Jahr.
    Über die negativen wirtschaftlichen Folgeerscheinungen dieser fortgesetzten Umverteilung zugunsten der Profite haben wir in früheren Kapiteln ausführlich gesprochen. Aber selbst wenn sie ungeachtet aller Probleme immer weitergehen sollte, sieht es für die künftigen Riester-Rentner nicht gut aus. Denn die entscheidende Frage ist eben nicht nur, was jeder vom Kuchen abbekommt, sondern vor allem, ob und um wie viel der Kuchen wächst.
    Private Rentenvorsorge als Wachstumshemmnis
    Da ein Großteil der Vermögen sich hochkonzentriert in den Händen der Reichsten befindet, bedeuten steigende Vermögenseinkommen immer neue Finanzblasen, stagnierende Konsumnachfrage und wirtschaftliche Krisenprozesse. Der Zwang zu steigenden privaten Vorsorgeaufwendungen verstärkt dieses Krisenpotential. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat nachgewiesen, dass die Trendwende der deutschen Sparquote nach oben genau mit der Einführung der Riester-Rente zusammenfällt. Das hat zum einen statistische Gründe. Während Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherungnicht als Ersparnis gewertet werden, gilt das für Einzahlungen in einen Riester-Vertrag sehr wohl. Aber das ist nicht der einzige Grund.
    Die Umschichtung von der gesetzlichen zur privaten Rente ist für die Beschäftigten eben kein Nullsummenspiel. Sie müssen vielmehr insgesamt einen höheren Teil ihres Einkommens für die Altersvorsorge reservieren, den sie somit nicht für laufende Konsumausgaben zur Verfügung haben. So sollen die Rentenreformen den Beitragssatz für die gesetzliche Rente bis 2030 bei maximal 22 Prozent deckeln, während er andernfalls auf 25 bis 26 Prozent angestiegen wäre. Für den Beschäftigten bedeutet das, dass er von seinem Lohn 11 Prozent in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen muss. Aber dazu kommen dann noch jene 4 Prozent, die er in einen Riester-Vertrag versenken soll. Ergibt in der Summe eine Rentenvorsorge in Höhe von 15 Prozent des Einkommens, während es ohne Riester und bei Beibehaltung der alten Rentenformel maximal 13 Prozent gewesen

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