Freiheit statt Kapitalismus
wären. Nach Berechnungen des IMK hat die Einführung der Riester-Rente bereits in den letzten Jahren zu einer Dämpfung des realen Konsums um fast eineinhalb Prozent geführt.
Das Letzte, was ein Land wie Deutschland, das seit Jahren unter mangelnder Binnennachfrage leidet, nun aber brauchen kann, sind Anreize zur weiteren Erhöhung der Sparquote. Entsprechend warnt der
IMK-Report
Nr. 43 im November 2009, »dass der gewählte Übergang zu einer verstärkten Kapitaldeckung sowohl Wachstumsprobleme erzeugt als auch zu einer ungenügenden Sicherung im Alter führt«. Die neoliberale Mär, dass hohe Ersparnisse hohe Investitionen nach sich ziehen, hat sich längst vor der Realität blamiert. Denn Deutschlands im internationalen Vergleich relativ hohe Sparquote hat durchaus nicht verhindert, dass die Bruttoinvestitionsquote stetig gesunken ist. Das bedeutet aber: Willentlich und wissentlich wird mit dem Riester-Schwachsinn nicht nur eine rapide ansteigende Altersarmut in Kauf genommen, sondern die gesamte Gesellschaft wird ärmer gemacht, um der Finanzindustrie glänzende Profite zu verschaffen.
Leere Versprechen
Kommen wir jetzt auf die – wohlweislich nicht garantierten – Renditeversprechen von 4 Prozent und mehr zurück. 2010 etwa lagen die Geldmarktzinsenbei etwa 1 Prozent, langlaufende Staatsanleihen rentierten zwischen 2 und 3 Prozent. Wer griechische Staatsanleihen kaufte, bekam mehr, musste aber im Frühjahr 2012 erleben, dass seine Anlagesumme mal eben halbiert wurde. Wir haben oben gezeigt, dass selbst Fonds, die die Riester-Ersparnisse vollständig in Aktien investieren, legal sind und staatlich gefördert werden. Natürlich ist denkbar, dass die Aktienmärkte, die sich von den realen Gewinn- und Umsatzdaten längst abgekoppelt haben, noch einmal zu einer Hausse mit jährlichen Wertsprüngen von 6 Prozent ansetzen.
Tatsächlich sind DAX wie Dow Jones in den zurückliegenden 30 Jahren mehr oder weniger stetig angestiegen (zeitweilige Rückschläge inklusive). Wenn man Kurssteigerungen und Dividenden aufs Jahr umrechnet, erhält man eine durchschnittliche Aktienrendite von fast 10 Prozent. Aber in einem längeren historischen Rückblick war diese Periode eher Ausnahme denn Regel. Was sich da aufgebläht hat, ist eine ungeheure Blase, der jede realwirtschaftliche Grundlage fehlt. Denn weder die Gewinne noch – schon gar nicht! – das Wirtschaftswachstum haben mit dem Wertzuwachs der Aktien auch nur annähernd Schritt gehalten.
Vielmehr beruhte der Börsenboom, wie gezeigt, auf einem ordinären Schneeballsystem: Er lebte davon, dass fortgesetzt mehr Geld auf die Finanzmärkte floss, als von ihnen abgezogen wurde. Aber dass etwas schon lange funktioniert, bedeutet nicht, dass es auch in Zukunft funktionieren wird. Vielmehr liegt es in der Natur eines Schneeballsystems, dass es irgendwann zusammenbricht. Einen Vorgeschmack darauf hat das Jahr 2008 gegeben.
Die OECD schätzt den Verlust, den private Pensionsfonds weltweit in jenem Krisenjahr erlitten haben, gemessen am Aktienwert auf 5,4 Billionen US-Dollar beziehungsweise auf 23 Prozent. Fast ein Viertel der angelegten Gelder hat sich also in einem einzigen Jahr in Luft aufgelöst. In Japan hat der Nikkei-Index seine Spitzenwerte von 1989 bis 2011 – nach über zwanzig Jahren! – nicht wieder erreicht. Wer damals Aktien gekauft hat und sie heute wieder verkaufen muss, weil er das Geld für Konsumzwecke braucht, hat einen Teil seiner Ersparnisse unwiderruflich verloren. Wer kann garantieren, dass dieses Schicksalden aktienbasierten Riester-Fonds nicht auch irgendwann blüht? Und dabei ist eine japanische Zukunft noch die milde Variante. Über die Entwicklung der Weltbörsen nach dem Schwarzen Freitag 1929 wollen wir besser nicht reden.
Riestern ohne Rücklagen
Tatsächlich hat der Gesetzgeber zwar, wie erwähnt, den Anbietern von Riester-Produkten zur Auflage gemacht, dass sie für den nominalen Werterhalt der eingezahlten Beiträge garantieren müssen. Er hat aber nach intensiver Lobbyarbeit der Branche darauf verzichtet, sie auch zu Vorkehrungen zu zwingen, die eine solche Nominalwertgarantie am Ende tatsächlich absichern können.
Die Vorgeschichte des Riester-Unfugs und die Einflussnahme der Finanzkonzerne auf den Gesetzestext sind detailreich in dem lesenswerten 2009 erschienenen Buch
Lobbyismus und Rentenreform. Der Einfluss der Finanzdienstleistungsbranche auf die Teil-Privatisierung der Alterssicherung
von Diana Wehlau geschildert. Dort wird
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