Freiheit statt Kapitalismus
nationalen Rahmen durchsetzen lässt.
Selbstverständlich käme ein entsprechender Umbau einer erheblichen Schrumpfung des Finanzsektors und der in diesem Bereich erzielten Gewinne gleich. Für die produktiven Sektoren der Volkswirtschaft wäre das nur von Vorteil. Die Schrumpfung ginge großenteils zulasten jener fiktiven Wertschöpfung, hinter der sich ohnehin keine realen Werte verbergen. Banken, die auf ihre Zockerinstrumente verzichten müssen, haben nämlich auch keine Geldmaschine mehr im Keller. Dasbedeutet: Ihre Geld- und Kreditschöpfung ließe sich wieder steuern – über die Eigenkapitalvorschriften und die Mindestreservesätze. Das gesamte Finanzsystem würde so kleiner, biederer, unspektakulärer, aber es bestünde eine reale Chance, dass es seine eigentlichen Aufgaben wieder wahrnimmt.
Wer ein Finanzsystem möchte, in dem auch Einkommensärmere ein Konto zu günstigen Konditionen und kleinere Unternehmen zinsgünstige Kredite erhalten, in dem Ersparnisse der regionalen Entwicklung zugutekommen, statt in hochkomplexen Derivaten verzockt zu werden, und in dem die öffentliche Hand Gestaltungsmöglichkeiten zurückgewinnt, sollte sich dringend für die hier beschriebenen Veränderungen einsetzen.
Fazit
Im Gegensatz zu den privaten Großbanken verfolgen Sparkassen und Genossenschaftsbanken ein Geschäftsmodell, mit dem sie ihrer Aufgabe weitgehend nachkommen, die Ersparnisse der Gesellschaft in investive und produktive Verwendungen zu lenken. Dieses Geschäftsmodell beruht auf den deutlich niedrigeren Renditeansprüchen öffentlicher und genossenschaftlicher Institute. Die Entwicklung der Landesbanken in den letzten Jahren ist kein Argument gegen die öffentlich-rechtliche Säule des deutschen Bankensystems, sondern zeigt, dass staatliche Kreditinstitute, die kommerzialisiert und auf Rendite getrimmt werden, am Ende zu den gleichen hochriskanten und investitionsfeindlichen Geschäftspraktiken neigen wie private Banken. Das spricht gegen Renditejagd im Bankensektor generell, nicht gegen öffentliches Eigentum.
Die Stabilität des Finanzsektors ist ein öffentliches Gut. Werden öffentliche Güter privaten profitorientierten Unternehmen überlassen, mündet das in der Regel in ein System institutionalisierter Haftungsfreiheit mit privatisierten Gewinnen und sozialisierten Verlusten. Auch die bisher private Säule des Bankensektors und die Versicherungen gehören daher in öffentliche Hand. Banken und Versicherungen dürfen allerdings nicht nur verstaatlicht, sie müssen zugleich – ähnlich den Regelungen in vielen Sparkassengesetzen – auf ein gemeinnütziges Geschäftsmodell verpflichtet werden. Dazu gehört die Abwicklung bzw.Veräußerung aller Zockerabteilungen und ein grundsätzliches Verbot von Spekulationsgeschäften. Damit würden die Banken auch die Macht zum Bedienen der Geldmaschine wieder verlieren.
Der Finanzsektor muss radikal schrumpfen, um seine eigentliche Aufgabe als Diener der Realwirtschaft wieder wahrnehmen zu können. Das könnte man das Fundamentalparadoxon von Finanz- und Realwirtschaft nennen. Viele kleine und mittelgroße Unternehmer verstehen es nicht und halten den gegenwärtigen Kapitalismus für ihren
Freund
, statt zu begreifen, dass er ihr
Killer
ist.
4. Der Staat als effektiver Versorger und die falschen Wettbewerbspropheten
»Die Privatisierung der Welt schwächt die normensetzende
Kraft des Staates. Sie stellt Parlamente und
Regierungen unter Vormundschaft. Sie entleert die
meisten Wahlen und fast alle Volksabstimmungen ihres
Sinns. Sie beraubt die öffentlichen Institutionen ihrer
regulatorischen Macht. Sie tötet das Gesetz. Von der
Republik, wie sie uns die Französische Revolution vererbt
hat, bleibt fortan nur mehr ein Phantom übrig.«
Jean Ziegler, bis 2008 UN-Sonderberichterstatter für
das Recht auf Nahrung
Die Versprechen waren so groß wie die Profitaussichten der Konzerne. Markt statt Staat, Effizienz statt Bürokratie, Wettbewerb statt Monopol, smarte motivierte Mitarbeiter statt schrullige Beamte – die schöne neue Welt kam mit vielen einnehmenden Sprüchen daher. Statt dröger Behörden sollten schlanke und flexible Privatunternehmen uns in Zukunft mit Strom, Wasser und Wärme versorgen, unsere Päckchen transportieren, unsere Kinder unterrichten, unseren Müll wegräumen und uns per Bus oder Bahn von A nach B fahren. Kundennäher und kundenfreundlicher sollten die neuen Serviceanbieter sein. Effizienter sowieso. Mehr Wettbewerb
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