Freiheit statt Kapitalismus
Mehrfachaufbau solcher Netze zu fordern. Das aber bedeutet: Wer über das Netz verfügt, besitzt ein natürliches Monopol. Gerade mit der Wettbewerbsresistenz netzgebundener Dienste hatte die ältere Volkswirtschaftslehre ja die Empfehlung begründet, solche Dienste besser in staatlicher Hand zu belassen, als sie privaten Monopolisten zu übergeben.
Natürlich kann man krampfhaft versuchen, auch in solchen Bereichen Wettbewerbsstrukturen zu etablieren. Man kann die Netzeigentümer per Auflage verpflichten, Wettbewerbern die Nutzung zu ermöglichen. Man kann Netztarife festlegen. Man kann Lizenzen zur zeitweisen Netznutzung vergeben, um die die Anbieter dann konkurrieren.
Aber solche künstlich herbeiregulierten Wettbewerbsspielchen haben mit einem freien Wettbewerb auf offenen Märkten in etwa so viel zu tun wie ein Monopoly-Spiel mit dem realen Kapitalismus: Es sieht so ähnlich aus und funktioniert am Ende doch ganz anders. Genauer gesagt: Es funktioniert eben nicht oder bestenfalls kurzzeitig.
In einer Studie über »Die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und deren Auswirkungen auf Qualität, Beschäftigung und Produktivität« der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) Wien vom April 2009 wurden typische Privatisierungsverläufe in unterschiedlichen Sektoren und verschiedenen EU-Ländern untersucht.
Die Studie kommt zu dem Schluss, »dass die Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen Europas erfolgreicher war in Bezug auf die Eigentumsstrukturen als hinsichtlich der Schaffung wettbewerbsintensiver Märkte.« Während der Anteil privaten Eigentums in der Regel stark zugenommen habe, sei es nur in 3 von 24 untersuchten Branchen zur Herausbildung wettbewerbsintensiver Märkte gekommen.
Staatliche Monopole durch private ersetzt
Typisch für Privatisierungen sei zudem, schreibt die FORBA, eine Kurve der Marktkonzentration. So träten unmittelbar nach der Marktöffnungvorübergehend viele Anbieter am Markt auf, die dann allerdings wieder verschwänden. Die FORBA-Studie beschreibt die Entwicklung anhand der Liberalisierung des skandinavischen Strommarktes: »Kurz nach dem Start trat eine große Anzahl neuer Anbieter auf, die Konkurrenz drückte die Preise nach unten. Doch der Wettbewerb war nur ein Strohfeuer. Schon bald bereinigte sich der Markt, ein paar Big Player setzten sich überall durch. In Schweden blieben drei große Stromversorger übrig, sie teilen sich 90 Prozent des Marktes …« 148
Ähnlich sieht es in den meisten Ländern aus. In Großbritannien vertreiben drei Unternehmen fast 65 Prozent des gesamten Stroms. In Deutschland beherrschen heute vier große Anbieter – E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW – etwa 80 Prozent der Stromerzeugung und haben den Markt regional unter sich aufgeteilt. In den meisten EU-Ländern gibt es heute auf dem Energiemarkt weniger relevante Anbieter als früher, während einige große Konzerne ihre marktbeherrschende Stellung europaweit ausbauen konnten.
Während bei der Elektrizität in manchen Ländern immerhin noch die theoretische Möglichkeit eines Anbieterwechsels besteht, handelt es sich bei der Wasserversorgung einer Stadt oder eines Landkreises von vornherein um ein Monopol. Die Privatisierung des britischen Wassermarktes durch Margaret Thatcher bestand darin, dass zehn privaten Unternehmen die Wasserversorgung in England und Wales mit Hilfe separater Gebietsmonopole übertragen wurde. In solchen Fällen findet Wettbewerb höchstens vorab
um den
Markt statt, das heißt um den Zugriff bei Privatisierungsprojekten. Ist dieser Zugriff geglückt, gibt es keine störenden Konkurrenten und keinen Wettbewerb mehr. Das Gleiche gilt in der Regel auch bei kommunalen Dienstleistungen wie Nahverkehr oder Müllentsorgung. Die entscheidende Hürde besteht darin, von der betreffenden Kommune den Auftrag zu ergattern. Ist der Anbieter erst mal am Ball, gibt es keine Konkurrenz mehr. Auch auf der Schiene kann von echten Marktverhältnissen keine Rede sein.
Preissprünge nach oben
Sichtbares Zeichen dieses Nichtfunktionierens von Wettbewerb ist die Preisentwicklung in vielen privatisierten Bereichen. Ob Strom, Wasseroder kommunale Dienste: Nach der Privatisierung kostet die gleiche Leistung in der Regel ein Mehrfaches dessen, was der frühere staatliche Anbieter verlangt hatte. Die Privatisierungsdividende für deutsche Haushalte im Bereich Energie etwa liegt in dem Luxus, sich von nunmehr vier Monopolisten Spitzenpreise diktieren zu lassen.
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