Freiheit statt Kapitalismus
IT-Branche, dieWachstumsbranche Nummer eins in den letzten Jahrzehnten, war von Beginn an und ist bis heute erheblich von staatlichen Zuschüssen und Subventionen abhängig. In Südkorea, Taiwan, Japan und China werden bis zu 100 Prozent der IT-Investitionen staatlich finanziert. »Auf Dauer werden die Großen wie Nomaden dorthin ziehen, wo es die meisten Subventionen gibt«, vermerkte die
Financial Times
über die Staatslastigkeit der Chipindustrie. 179
Auch außerhalb des IT-Bereichs sind viele private Konzerne nur dank staatlicher Subventionen, die sie als Forschungsunterstützung oder als Exportsubvention einstreichen, profitabel. In der Bundesrepublik trägt der Staat 30 Prozent der gesamten Forschungsausgaben und subventioniert darüber hinaus freigiebig die Forschung großer Konzerne. So erhält etwa der Henkel-Konzern jährlich Millionenbeträge vom Bund, ähnlich der Chemieriese BASF und die Unternehmen Merck und Philips. 180 Man möchte sich lieber nicht ausmalen, wie es um die Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen ohne diese freigiebigen Geschenke des Steuerzahlers bestellt wäre. Führt die staatliche Förderung zu Erfindungen und wird darauf ein Patent angemeldet, liegen alle daraus zu ziehenden Gewinne freilich bei dem privaten Konzern. Kleinere Firmen können von solchen geschenkten Forschungsmillionen nur träumen.
Der Staat als Erfinder und Entdecker
Auch arbeiten nicht nur die Banken mit einer faktischen Staatsgarantie im Rücken, das Gleiche gilt für die Kernkraftwerke, vor allem die Atommeiler. Die Landwirtschaft lebt von staatlichen Subventionen. Im Pharmamarkt ist es der Staat, der die Tarife regelt. Tut er das so windelweich wie in Deutschland, explodieren die Preise, und die Kranken werden abgezockt. »Einige der größten Erfolge der Vereinigten Staaten«, stellt der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz fest, »sind das Ergebnis öffentlich finanzierter Forschungen, in der Regel an staatlichen oder gemeinnützigen Universitäten – vom Internet bis zur modernen Biotechnologie.« 181 Der Markt ist längst nicht mehr der »große Entdecker«, sagt auch der bereits zitierte Publizist Roger de Weck und verweist darauf, dass das Internet im Kernforschungszentrum CERN erfundenwurde und viele zivile Innovationen Nebenprodukte der militärischen Forschung der NASA waren.
Schon bei der Ankurbelung des frühen Wachstums des Silicon Valley spielte das US-Verteidigungsministerium eine entscheidende Rolle. Heute ist die US-Regierung der größte Risikokapitalgeber der Welt: Allein das Energieministerium will weitere 40 Milliarden Dollar an Zuschüssen und Kredithilfen vergeben, um Forschung über grüne Technologien zu begünstigen. In den ersten drei Quartalen 2009 hatten private Risikokapitalfirmen weniger als 3 Milliarden Dollar in diesem Sektor investiert; das Ministerium dagegen 13 Milliarden. 182 Der Grund für das staatliche Engagement liegt auf der Hand: Innovationen brauchen einen hohen Kapitaleinsatz mit langem Atem, das renditehungrige private Kapital leistet das immer weniger. »Oft kann sich nur noch der Staat Investitionen auf sehr lange Frist leisten.« 183
Eine interessante Wortmeldung zu diesem Thema gab es kürzlich aus den Reihen des BDI. Ein Arbeitskreis namens »Wertschöpfungsorientierte Innovationsstrategien« unter Leitung von Reinhold Achatz, dem Chef der globalen Forschungsabteilungen des Münchner Siemens-Konzerns, legte im Januar 2012 ein Papier vor, das einen grundlegenden Kurswechsel des Verbandes einforderte. Das 15-köpfige Projektteam, an dem sich auch prominente Vertreter von Volkswagen, RWE, Bayer, EADS und BASF beteiligten, empfahl dem BDI, künftig in Sachen Forschung und Innovation eine aktivere Rolle des Staates auch in Deutschland einzufordern. Denn, so die Begründung: Um die bis 2030 vorhersehbaren Umbrüche etwa in der Verkehrs-, Gen-, Nano-, IT-und Kommunikationstechnik sowie der Energieversorgung wirtschaftlich zu nutzen, bedürfe es der staatlichen Koordination. Da einzelne Unternehmen allein »tendenziell nicht mehr in der Lage« seien, »die entscheidenden Innovationen am Markt durchzusetzen«, komme dem Staat eine wichtige Aufgabe zu. Siemens-Mann Achatz sieht die Regierung zunehmend in der Rolle des »Katalysators«, der die Unternehmen zur Kooperation über Branchengrenzen hinweg bewege – und ihnen wohl auch noch stärker finanziell unter die Arme greift. 184
Das Gerede von der staatsfreien Wirtschaft erweist sich damit als neoliberaler
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