Freiheit statt Kapitalismus
und wie öffentliche Unternehmen so zu organisieren sind, dass sie die ihnen volkswirtschaftlich zukommenden Aufgaben tatsächlich erfüllen. Auf all diese Fragen lohnt es, Antworten zu suchen, statt das Nachdenken von vornherein durch platte »Der Staat ist ein schlechter Unternehmer«-Scheuklappen abzubrechen. Der Staat
kann
natürlich ein schlechter Unternehmer sein, da Missmanagement und Fehlentscheidungen in öffentlichen Unternehmen ebenso wenig ausbleiben wie in privaten.
In den Bereichen allerdings, wo sich volkswirtschaftlicher Nutzen nicht in betriebswirtschaftlichen Rentabilitätskennziffern bemisst, hat der Begriff des guten beziehungsweise schlechten Unternehmers ohnehin eine abgewandelte Bedeutung. Eine unrentable Staatsbahn, die durch attraktive Angebote möglichst viele Leute von der Straße auf die Schiene holt, ist vermutlich eher im Interesse der Allgemeinheit als ein hochrentabler Betreiber von Langstreckenverbindungen, der alle Kleinstädte vom Schienennetz abgeknipst hat. Auch ein öffentlicher Energieversorger mit mäßigen Gewinnen, der Haushalte und Wirtschaft mit bezahlbarem (und gleichwohl aus erneuerbaren Trägern gewonnenem) Strom beliefert, ist eher zu begrüßen als hochprofitable Energiekonzerne, die in ihrer Preispolitik ihre Monopolmacht bis zum Äußersten ausreizen und noch das letzte Atomkraftwerk bis zum physischen Zusammenbruch betreiben. Mit anderen Worten: Es gibt Bereiche, da sind andere Kriterien wichtiger als das, ein möglichst guter – weil: profitabler – Unternehmer zu sein.
Auch bei Effizienzvergleichen ist immer entscheidend, woran »Effizienz« eigentlich gemessen wird. So stellt ein Referent auf der bereits zitierten Arbeitstagung des Vereins für Sozialpolitik der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Basel 1983 fest, »dass öffentliche Unternehmen auch in dem Sinne ›effizienter‹ sind als private, dass sie die gesetzten Vorschriften und Regeln besser befolgen. Auch wenn sich diese Art von ›Effizienz‹ von dem Effizienzbegriff in den Wirtschaftswissenschaften deutlich unterscheidet …« 186
Wenn aber maximale Gewinne gar nicht das Kriterium staatlicher Betriebe sind, ist es müßig, ihre Unterlegenheit gegenüber Privatunternehmenmit dem akribischen Nachweis ihrer oftmals tatsächlich geringeren Rendite zu begründen, wie das Heerscharen von Autoren getan haben. Zugleich zeigen die Erfahrungen mit Staatsunternehmen in Geschichte und Gegenwart, dass öffentliches Eigentum der Erzielung von soliden Gewinnen durchaus nicht entgegensteht.
Fazit
Die Verstaatlichungspolitik der europäischen Nachkriegszeit war von dem Anspruch geprägt, nicht nur kranke Unternehmen zu sanieren, sondern »Schlüsselbereiche« der Wirtschaft in die öffentliche Hand zu übernehmen. Dadurch sollte das Ausnutzen privater Monopolpositionen verhindert, demokratische Gestaltungsmacht zurückgewonnen und das wirtschaftliche Wachstum beschleunigt werden. Die erfolgreiche Modernisierung in vielen Ländern belegt, dass dieses Konzept aufging: In den verstaatlichten Industrien war das Investitionsniveau in der Regel deutlich höher, Löhne wie Arbeitsbedingungen waren besser und Arbeitsplätze sicherer als in privaten Unternehmen.
Die einstigen »Schlüsselbereiche« allerdings, auf die sich die Verstaatlichungen konzentriert hatten, waren spätestens in den siebziger Jahren zu sterbenden Industrien (Kohle) oder Krisensektoren (Stahl) geworden. Indem der Staat darauf verzichtete, auch Teile der Finalproduktion und vor allem neu entstehende Schlüsselsektoren wie die IT-Branche in die öffentliche Hand zu übernehmen, sondern sich hier auf die Rolle des Subventionsgebers beschränkte, verblieben am Ende tatsächlich überwiegend weniger rentable Unternehmen in Staatsbesitz. Deren Probleme dienten dann als Vorwand umfassender Privatisierungen.
Insgesamt reichen die Erfahrungen mit öffentlichen Unternehmen von profitorientiert wirtschaftenden Staatskonzernen, deren Rentabilität hinter Privatunternehmen ihrer Branche nicht zurücksteht, bis zu gemeinnützigen Versorgern, die ihre Preissetzungsmacht bewusst nicht ausnutzen, sondern die wirtschaftliche Entwicklung durch preiswerte Grundstoffangebote unterstützen. Auch die Organisationsformen öffentlichen Eigentums zeigen eine enorme Varianz von eigenverantwortlich wirtschaftenden Unternehmen, bei denen die öffentlicheHand lediglich bei Grundsatzentscheidungen ihren Einfluss geltend macht, bis zu unmittelbar dem
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