Freiheit statt Kapitalismus
eisenschaffenden Großindustrie aus. In ihrem Ahlener Programm von 1947 stellte sie fest:
»Unternehmungen monopolartigen Charakters, Unternehmungen, die eine bestimmte Größe überschreiten müssen, verleihen eine wirtschaftliche und damit eine politische Macht, die die Freiheit im Staat gefährden kann.« Die CDU forderte daher, dass »öffentliche Körperschaften wie Staat, Land, Gemeinde, Gemeindeverbände, ferner Genossenschaften und die im Betrieb tätigen Arbeitnehmer an diesen Unternehmungen beteiligt werden.« 176
Solche Forderungen fanden auch in den damals entstehenden Verfassungen der Bundesländer ihren Niederschlag – teils als Option, teils als Gebot. So schreibt Artikel 27 der nordrhein-westfälischen Landesverfassung ausdrücklich vor: »Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.« Artikel 160 der Bayerischen Verfassung ist allgemeiner: »Für die Allgemeinheit lebenswichtige Produktionsmittel, Großbanken und Versicherungsunternehmen können in Gemeineigentum überführt werden, wenn die Rücksicht auf die Gesamtheit es erfordert.« Und die Verfassung des Saarlandes, Artikel 52, legt fest: »Schlüsselunternehmungen der Wirtschaft (Kohlen-, Kali- und Erzbergbau, andere Bodenschätze, Energiewirtschaft, Verkehrs- und Transportwesen) dürfen wegen ihrer überragenden Bedeutung für die Wirtschaft des Landes oder ihres Monopolcharakters nicht Gegenstand privaten Eigentums sein … Alle wirtschaftlichen Großunternehmen können durch Gesetz aus dem Privateigentum in das Gemeinschaftseigentum übergeführt werden, wenn sie in ihrer Wirtschaftspolitik, ihrer Wirtschaftsführung und ihren Wirtschaftsmethoden das Gemeinwohl gefährden.«
Am weitesten von allen ging die Hessische Verfassung. Artikel 41 regelte die sofortige Sozialisierung von Bergbau, Eisen- und Stahlerzeugung, Energiewirtschaft und Verkehrswesen mit Inkrafttreten der Verfassung. Für weitere monopolisierte Bereiche existierten Kann-Bestimmungen. Der Verfassungsentwurf wurde im Hessischen Landtag mit den Stimmen der CDU, SPD und KPD angenommen, die einzigenGegenstimmen kamen von der LDP. Am 1. Dezember 1946 fand in Hessen eine Volksabstimmung zur Verfassung statt, bei der der Entwurf eine große Mehrheit von 76,8 Prozent der Stimmen fand. Für den Sozialisierungsartikel 41, über den gesondert abgestimmt wurde, votierten 71,9 Prozent. Damit wäre die Sozialisierung der genannten Bereiche rechtsgültig geworden, wenn die amerikanische Militärregierung nicht die Umsetzung bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes untersagt hätte.
Ab Anfang 1947 wurde im hessischen Wirtschaftsministerium an einem Gesetzentwurf gearbeitet, der die künftige Organisationsform für die sozialisierten Industrien regeln sollte. Auch wenn dieser Gesetzentwurf niemals umgesetzt wurde, ist er ein origineller Vorschlag, wie gewährleistet werden kann, dass die betreffenden Wirtschaftsbereiche nicht einfach nur verstaatlicht, sondern einer anderen wirtschaftlichen Logik unterworfen und auf demokratische Weise organisiert und reguliert werden können. Der Gesetzentwurf ging davon aus, dass für die sozialisierten Industrien die bisher möglichen Rechtsformen des Privatrechts – also insbesondere GmbH und Aktiengesellschaft – einerseits und des öffentlichen Rechts andererseits gleichermaßen ungeeignet wären. Das Privatrecht, weil die sozialisierten Industrien nicht primär dem Zweck der Gewinnerzielung folgen sollten, und das öffentliche Recht wegen mangelnder Flexibilität. Mit dem Sozialisierungsgesetz sollte daher ein neuer Rechtsbereich, das »Sozialrecht«, geschaffen werden.
Alle sozialisierten Betriebe wurden als Gemeineigentum definiert und dessen Unveräußerlichkeit festgeschrieben. Konkret sah der Gesetzentwurf vor, dass die Betriebe als Rechtsträger des Gemeineigentums sogenannte Sozialgemeinschaften bilden. Die einzelnen Sozialgemeinschaften sollten dann in einer Landesgemeinschaft zusammengefasst werden, die von einem Verwaltungsrat geleitet wird, der zu je einem Drittel vom Hessischen Landtag, dem Gewerkschaftsbund Hessen und den kommunalen Spitzenverbänden berufen werden sollte. In den Spitzengremien der einzelnen Sozialgemeinschaften sollten jeweils die politische Ebene, die Beschäftigten und die Konsumenten drittelparitätische Mitspracherechte erhalten.
Die Konflikte des damaligen hessischen
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