Freiheit statt Kapitalismus
Managementphilosophie nicht zufällig entstanden ist, sondern die Interessen eines bestimmten Typs von Unternehmenseigentümern zum Ausdruck bringt: die der institutionellen Anleger oder sogenannten »Finanzinvestoren«, die heute einen Großteil der Aktien halten. Wir haben auch gesehen, dass sogar unabhängig davon, ob solche Eigentümer in einer bestimmten Firma präsent sind, die Entstehung eines Marktes für den Handel mit Unternehmen und die jederzeitige Möglichkeit einer feindlichen Übernahme dem Management börsennotierter Gesellschaften genau jene kurzsichtige, auf hohe Rendite und hohe Ausschüttungen fixierte Logik der Unternehmensführung aufzwingen, die für Produktivität, Innovationsfähigkeit und Beschäftigung so fatal ist. Man kann daher durchaus schlussfolgern: Die Eigentumsverhältnisse großer börsennotierter Konzerne stehen vernünftigen Kriterien des Wirtschaftens entgegen.
Wie sieht es bei Familienunternehmen aus? Prinzipiell ist in einem Familienunternehmen natürlich alles möglich. Ein solches Unternehmen ist nicht gezwungen, »in den Augen vorbeischlendernder Beobachter schön auszusehen«, wie Richard Sennett das Problem der Aktiengesellschaften so griffig beschrieben hat. Ein Familienunternehmenkann sich also langfristige Strategien und eine kunden- statt renditeorientierte Unternehmensführung leisten. Je kleiner es ist, desto stärker steht es ohnehin unter dem Druck, im Wettbewerb durch überlegene Leistung bestehen zu müssen. Investitionszurückhaltung und übermäßige Ausschüttungen gefährden unter solchen Umständen schnell die Existenz.
Gerade in kleinen Firmen ist der Eigentümer in der Regel auch der Unternehmensgründer. Das Unternehmen ist für solche Eigentümer keine Kapitalanlage, von der sie eine bestimmte Verzinsung erwarten, sondern ihr eigener Arbeitsplatz, an dem sie meist mit hohem Einsatz und nicht selten unter erheblicher Selbstausbeutung gemeinsam mit ihren Mitarbeitern um den Erfolg ihrer Geschäftsidee kämpfen. Für solche Unternehmer gilt in der Mehrzahl, was Malik in Schumpeter-Tradition über die »wirklichen Unternehmer« schreibt: dass sie »nicht primär vom Gewinnmotiv getrieben« werden, sondern »etwas anderes anstreben – nämlich tatsächlich eine Leistung zu erbringen, ein Produkt zu vermarkten, eine Idee zu realisieren«. 195
Wird das Unternehmen größer – erst recht, wenn der erste Generationswechsel erfolgt ist, die Eigentümer also nicht mehr die Gründer, sondern deren Erben sind –, ändert sich das oft. Je weniger das Unternehmen noch eigener Arbeitsplatz ist und je mehr es zur bloßen Kapitalanlage wird, desto stärker dominieren Renditekriterien die Unternehmensführung, auch in familieneigenen Betrieben. Das gilt erst recht für große Familienkonzerne, die oft hoch diversifiziert sind und sich in unterschiedlichste Bereiche eingekauft haben. Man denke etwa an das Imperium der Oetkers oder der Haniels. In solchen Unternehmen gibt es keine lebendige Gründungsidee mehr, sondern hier geht es wie in den börsennotierten Gesellschaften nur noch darum, Geld zu machen. Vielfach werden solche Unternehmen auch nicht mehr von Mitgliedern der Familie geleitet, sondern von bezahlten Managern. Wir haben gesehen, dass bei der Eigentümersippe der Haniels Aktivität im Unternehmen sogar ausdrücklich untersagt ist. Die Renditeerwartungen in solchen Familienkonzernen orientieren sich am Kapitalmarkt, nicht selten liegen sie sogar darüber. Die Verbindung zum Unternehmen ist die zwischen Vermögensbesitzern und einer lukrativen Einnahmequelle.
Hidden Champions
Natürlich ist denkbar, dass selbst in solchen Unternehmen ein guter Manager dennoch die richtigen Ziele und Prioritäten vorgibt und die Eigentümer ihm dabei wenig in die Quere kommen. Selbstverständlich gibt es auch größere gut geführte, erfolgreiche und leistungsfähige Familienunternehmen. Die von Hermann Simon untersuchten Hidden Champions – mittelgroße bis große Unternehmen, die mit ihren Produkten oftmals einen Markt erst geschaffen und sich aufgrund ihrer Qualität eine international führende Stellung gesichert haben – gehören in diese Kategorie. Die Hidden Champions zeichnen sich durch ein weit überdurchschnittliches Investitions- und Innovationsniveau, eine große Wertschöpfungstiefe und im Übrigen auch durch eine extrem geringe Fluktuation ihrer Mitarbeiter (die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit liegt bei 37 Jahren!) aus, verkörpern also in jeder
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