Freiheit statt Kapitalismus
Wirtschaft des Landes oder ihres Monopolcharakters«. Es steht da nicht »sollten«, sondern »
dürfen «
.
Angesichts der fortgeschrittenen Konzentration von Wirtschaftsmacht spricht heute noch weniger als damals dafür, dass Großunternehmen von gesamtwirtschaftlicher Relevanz Privateigentum beliebiger Inhaber sein können. Dass eine solche Veränderung der Eigentumsverhältnisse rechtlich unproblematisch wäre, davon ist der Jurist Rittstieg überzeugt: »Setzt sich politisch die Ansicht durch, dassdie private Beherrschung von Großeigentum Produktionsprozesse und Investitionen, Wohnungsbau und andere Fragen des nationalen Interesses einschließlich der Außenpolitik vom privaten Vorteil einer zahlenmäßig kleinen Gruppe in der Bevölkerung abhängig macht und daher zugunsten einer den gewandelten Verhältnissen besser gerecht werdenden Lösung abzulösen ist, so würde das nach den in der Rechtsprechung des Supreme Court bereits angewandten Grundsätzen die Aufhebung der als schädlich angesehenen Eigentumsformen rechtfertigen.« 208
Immerhin lässt sich eine solche Veränderung auch mit der Rückbesinnung auf den menschenrechtlichen Ursprung des Eigentumsschutzes begründen: denn danach sollte nicht wirtschaftliche Macht, sondern der persönliche Lebensbereich des Menschen vor politischem Zugriff geschützt werden. Wer dagegen von Managern und Familienclans ausgeübte industrielle Herrschaft von Artikel 14 des Grundgesetzes geschützt wähnt, der sollte jedenfalls nicht mehr von einem mit der Persönlichkeitsentfaltung verbundenen Menschenrecht sprechen.
Werden bestimmte Bereiche für eigentumsunfähig erklärt, ergibt sich nach Rittstieg auch keine Pflicht zur Entschädigung. Denn: »Von der Entschädigungspflicht unter Enteignungsgesichtspunkten gibt es eine wichtige Ausnahme: Falls die hoheitliche Maßnahme bezweckt, eine bestimmte Eigentumsnutzung oder das Eigentumsrecht an bestimmten Gegenständen unter übergeordneten Gesichtspunkten des Gemeinwohls überhaupt zu unterbinden, wird die Anwendung der Entschädigungsklausel in der neueren Rechtsprechung ausnahmslos abgelehnt.« 209 So hatte etwa der Supreme Court, nachdem das Sklavereiverbot in die Verfassung aufgenommen worden war, den Bundesstaaten ausdrücklich untersagt, den früheren Sklavenhaltern Entschädigung zu zahlen.
Wo private Geschäftstätigkeit endet und gesellschaftliche Macht beginnt
Soll dieses Konzept rechtlich umgesetzt werden, spielt die Frage der Grenzziehung eine entscheidende Rolle: Welche Unternehmen sind gesellschaftlich so relevant, dass privates Eigentum ihren Eignern einefür das Allgemeinwohl nicht hinnehmbare Machtposition verschafft? Wo genügen demgegenüber ordentliche Rahmenbedingungen und gesetzliche Regeln, während ein weitergehender Einfluss der öffentlichen Hand eher von Schaden wäre? Und vor allem: Wer entscheidet über die Betriebsführung und deren Kriterien in den nicht mehr privaten Unternehmen? Schließlich: Wie sehen dem Gemeinwohl dienende Eigentumsverhältnisse in Großunternehmen unterhalb jener kritischen Schwelle aus, jenseits derer privates Eigentum verfassungsrechtlich ausgeschlossen werden sollte?
Generell bieten sich drei Kriterien an, um gemeinwohlrelevante von privater Geschäftstätigkeit zu unterscheiden:
die monopolistische oder zumindest marktdominierende Stellung eines Unternehmens,
seine Bedeutung für Beschäftigung und Investitionen in einer wichtigen Branche der Volkswirtschaft,
die Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung.
Am leichtesten lässt sich das letzte Kriterium konkretisieren: Öffentliche Dienstleistungen sind all diejenigen, die zur Grundversorgung der Menschen mit lebenswichtigen Gütern beitragen. Also die Versorgung mit Wasser und Energie, mit Versicherungs- und Bankdienstleistungen, mit Bildung, mit Verkehrs-, Kommunikations- und Gesundheitsdiensten. Nicht zu vergessen die Versorgung mit Wohnraum, zumindest für all diejenigen, die sich keine eigenen vier Wände leisten können. Auch die mediale Meinungsbildung ist ein öffentliches Gut und darf daher nicht länger vererbbares Machtinstrument einzelner Familien sein. Das spricht nicht gegen einzelne private Zeitungen oder Zeitschriften, wohl aber gegen private Medienkonzerne mit geballter Meinungsmacht.
Mit dem Gesundheitsbereich eng verbunden ist der der Pharmakonzerne. Ernst Ulrich von Weizsäcker verweist in seinem Buch über die Grenzen der Privatisierung auf das Problem, dass die Gewinnorientierung
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