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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt, erwirbt das Eigentum an der neuen Sache …«
     
    In der Realität allerdings leben die, die arbeiten, heute vielfach von der Hand in den Mund und haben kaum noch eine Chance, relevantes Eigentum zu bilden. Das wirtschaftliche Eigentum dagegen steht überwiegend Leuten zu, die nicht arbeiten. Die Umsetzung des Prinzips von John Locke und des Bürgerlichen Gesetzbuchs verlangt eine grundlegend andere Ordnung des wirtschaftlichen Eigentums.
    Belegschaftseigentum als Realisierung des Haftungsprinzips
    Es ist ein grundlegender demokratischer Anspruch, dass Entscheidungen immer bei denen liegen sollten, die von ihren Folgen hauptsächlich betroffen sind. Und zwar im Positiven wie im Negativen. Genau das verbirgt sich hinter dem Prinzip der Haftung. In Kapitalgesellschaften ist heute die Haftung der Eigentümer auf das eingesetzte Kapital beschränkt. Wird dieses verspielt, ist das bitter, aber meistens kein Ruin. Die Insolvenz von Karstadt hat – ungeachtet aller Heulstorys in
Bunte
und
Bild
– die frühere Eigentümerin Madeleine Schickedanz nicht zum Sozialfall gemacht, viele der ehemaligen Verkäuferinnen aber durchaus. Während Schickedanz auch heute noch über schicke Villen und ein rechtzeitig in Sicherheit gebrachtes Millionenvermögen verfügt, wurden viele Beschäftigte in die Hartz-IV-Hölle entlassen.
    Selbst bei Firmen mit persönlich haftenden Gesellschaftern gibt es – sofern sie hinreichend groß und ihre Inhaber hinreichend reich sind – viele Tricks und Kniffe, Teile des persönlichen Vermögens vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen. Wäre die waghalsige Aktion von Maria-Elisabeth Schaeffler, unter Aufnahme von Milliardenkrediten den DAX-Konzern Conti zu schlucken, missglückt, wäre das für die Schaefflers sicher ein unschöner Einschnitt im Leben gewesen, aber die blondierte Milliardärserbin hätte trotzdem keine Sozialrente beantragen müssen. Die Beschäftigten dagegen verlieren bei einer Firmeninsolvenz das Wichtigste, was sie haben: ihren Arbeitsplatz, an dem nicht selten die soziale Existenz einer ganzen Familie hängt.
    Euckens Grundprinzip der Haftung – »Wer den Nutzen hat, soll auch den Schaden tragen« – gilt in der heutigen Eigentumsverfassung nur für kleinere und mittlere Unternehmen. Der Handwerksmeister mit drei Angestellten hat, wenn die Auftragslage gut ist, das höhere Einkommen,dafür aber auch das deutlich höhere Risiko, wenn sie schlecht wird. Ähnlich ist die Situation für viele kleine Gründerunternehmen, in denen der Eigentümer oft sein ganzes Vermögen investiert hat und im Falle des Scheiterns von den Banken bis aufs Hemd ausgezogen wird. Bei den Großunternehmen dagegen gibt es diese Haftung nicht mehr: bei den Eigentümern nicht und schon gar nicht bei den Managern, die in der Regel selbst dann noch mit einem goldenen Handschlag und in jedem Fall als Multimillionäre die Bühne verlassen, wenn sie das Unternehmen in den Ruin geführt haben.
    Wenn Haftung wieder gelten soll, dann sollten Unternehmen denen gehören, die in ihnen arbeiten und deren Existenzgrundlage sie darstellen. Bei großen Unternehmen sollten darüber hinaus Kommune oder Land, die von der Unternehmensentwicklung unmittelbar betroffen sind, Anteile und Mitentscheidungsrechte erhalten.
    Das ist nicht primär ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, sondern eines der wirtschaftlichen Vernunft. Denn der, dessen soziale Existenz am Unternehmen hängt, hat schlicht eine höhere Motivation, verantwortungsvoll im Sinne der langfristigen Unternehmensperspektive zu entscheiden, und wird sich eher nicht von spekulativen Erwägungen oder irren Managementmoden leiten lassen.
    Das Prinzip Haftung spricht übrigens auch gegen überhöhte Managergehälter: Wer so viel verdient, dass er nach wenigen Jahren fürs Leben ausgesorgt hat, der hat natürlich eine wesentlich geringere Motivation, Höchstleistungen zu erbringen, als der, dessen Wohlstand daran hängt, dass das Unternehmen sich auch in Zukunft gut entwickelt.
    Ota Šiks Mitarbeitergesellschaft
    »Nicht für die Aktionäre, sondern für die Mitarbeiter ist das Unternehmen eine lebendige soziale Institution«, 210 stellt der bekannte tschechische Wirtschaftswissenschaftler Ota Šik in seinem Buch
Humane Wirtschaftsdemokratie
fest. Er entwirft dort das Modell einer Mitarbeitergesellschaft, die durch eine schrittweise »Neutralisierung« von Kapital entsteht. Šik weist darauf hin, dass das

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